Kühle Konzepte
Abbildung: Die Illustration zeigt einen Ausschnitt der Seitenansicht eines Mehrparteienhauses mit weißer Fassade und einem begrünten Flachdach. Zu erkennen sind zwei Etagen mit jeweils einem Balkon und drei Fenstern. An der Hauswand verlaufen vertikal zwei grüne Ranken. Über den Fenstern des Obergeschosses sind blaue, an den Fenstern darunter gelbe Markisen angebracht. Auf dem unteren Balkon hängt ein Mann Wäsche auf, ein Handtuch weht weg. Auf dem oberen Balkon steht eine Frau und guckt in die Ferne. Am strahlend blauen Himmel fliegen vier weiße Vögel.
Abbildung: Die Illustration zeigt einen Ausschnitt der Seitenansicht eines Mehrparteienhauses mit weißer Fassade und einem begrünten Flachdach. Zu erkennen sind zwei Etagen mit jeweils einem Balkon und drei Fenstern. An der Hauswand verlaufen vertikal zwei grüne Ranken. Über den Fenstern des Obergeschosses sind blaue, an den Fenstern darunter gelbe Markisen angebracht. Auf dem unteren Balkon hängt ein Mann Wäsche auf, ein Handtuch weht weg. Auf dem oberen Balkon steht eine Frau und guckt in die Ferne. Am strahlend blauen Himmel fliegen vier weiße Vögel.

Gemeinschaftlich
nachhaltig und hitzeresilient
bauen und wohnen

Möglichkeiten und Beispiele

Der Klimawandel stellt alle gesellschaftlich und politisch Verantwortlichen vor neue Herausforderungen.

Diese virtuelle Ausstellung zeigt baulich-architektonische Antworten:
Von klimaresilienten Städten über kühlende Architektur bis hin zu ökologischen Baustoffen – all dies am Beispiel gemeinschaftlicher Wohnprojekte. Denn wir sind überzeugt: Im gemeinschaftlichen Wohnen liegt eine Chance, Nachhaltigkeit umzusetzen und lebenswerte Wohnumgebungen für Alt und Jung zu schaffen.

Die Inhalte der Ausstellung „Kühle Konzepte“ wurden von Fachleuten des FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V., Bundesvereinigung, auf Basis vieler engagierter Projekte und gesammelter Erkenntnisse, ohne die dieses Internetangebot nicht möglich wäre, zusammengetragen.

Abbildung: Illustriert ist die Sicht aus einem Fenster. Zu erkennen sind mehrere mehrstöckige Gebäude mit Dach- und Fassadenbegrünung sowie Solaranlagen auf den Dächern. Auch die Krone eines großen grünen Baums ist zu sehen. Der Himmel ist zur Hälfte rosa gefärbt, dunkelgraue Regenwolken verziehen sich gerade. Im Zimmer sitzt, unterhalb des Fensters, eine Person in einem rosafarbenen Sessel und ist in ein Buch vertieft. Auf der Fensterbank über ihr sitzt eine schwarze Katze und schaut hinaus.

Klimaresiliente Städte

Extreme Wetterereignisse mitgedacht: Abkühlung und Wasserspeicherung als Faktoren im Quartier.

Klimaresiliente, also anpassungs- und widerstandsfähige Städte sind nicht nur imstande, eventuelle Probleme wie Hitzewellen, Stürme und Überschwemmungen zu verkraften, sie minimieren auch das Risiko, dass diese eintreten. Welche Ansätze gibt es?

Den Herausforderungen wird beispielsweise im Neubauquartier Oberbillwerder, Hamburg begegnet. Durch die Planung eines lebendigen und nachhaltigen Quartiers, initiiert durch die Kommune (Top-Down).

Zukunftsfähige Stadtplanung

Oberbillwerder, Hamburgs 105. Stadtteil

Bereits der Masterplan von Oberbillwerder setzt auf Klimaschutz und Klimaanpassung, um einen lebenswerten und zukunftsfähigen Stadtteil zu entwickeln. Auf rund 118 Hektar entstehen hier ab Mitte der zweitausendzwanziger Jahre rund 6.500 Wohnungen, bis zu 5.000 Arbeitsplätze sowie 28 Hektar Freiraum. Oberbillwerder wird als innovativer Stadtteil im durch die Kommune initiierten Prozess (Top-Down) geplant und Mobilität dabei neu gedacht. Bis zu 20 Prozent Baugemeinschaften können sich in Oberbillwerder ansiedeln.

Zukunftsfähige Stadtplanung

(c) IBA Hamburg GmbH / Adept mit Karres en Brands
Abbildung: Luftaufnahme der 118 Hektar des zukünftigen Stadtteils Oberbillwerder.
Oberbillwerder, Hamburgs 105. Stadtteil

Effektive Maßnahmen für urbanen Hitzeschutz

Grün- und Freiflächen sowie Gewässer sorgen für einen kühlenden Luftaustausch und eine hohe Kühlungsrate. Auch geringe Versiegelung, Schatten spendende Bäume sowie die Wahl heller Fassadenmaterialien vermindern das Aufheizen in Oberbillwerder.

(c) IBA Hamburg GmbH / Adept mit Karres en Brands
Abbildung: Entwurfsgrafik einer hellen Hausfassade. Direkt davor befindet sich eine Grünfläche mit zwei großen Laubbäumen und Gebüsch. Durch die Grünfläche verläuft ein unversiegelter Gehweg. Die Wiese schließt ab mit einem Uferbereich und einem Gewässer.

Transkription des Interviews mit Sabine de Buhr, Städtebauliche Leitung bei der IBA Hamburg GmbH im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Der geplante 105 Stadtteil Hamburgs Oberbillwerder will Stadt anders denken, lebendig und nachhaltig. Im lanungsprozess wird ein Quartier für Generationen von Morgen und Übermorgen erarbeitet, bei dessen Beschreibung Stichwörter wie Schwammstadt und Nachhaltigkeit, neue Mobilitätskonzepte,

Transkription des Interviews mit Sabine de Buhr, Städtebauliche Leitung bei der IBA Hamburg GmbH im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Der geplante 105 Stadtteil Hamburgs Oberbillwerder will Stadt anders denken, lebendig und nachhaltig. Im lanungsprozess wird ein Quartier für Generationen von Morgen und Übermorgen erarbeitet, bei dessen Beschreibung Stichwörter wie Schwammstadt und Nachhaltigkeit, neue Mobilitätskonzepte,

Transkription des Interviews mit Sabine de Buhr, Städtebauliche Leitung bei der IBA Hamburg GmbH im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Der geplante 105 Stadtteil Hamburgs Oberbillwerder will Stadt anders denken, lebendig und nachhaltig. Im lanungsprozess wird ein Quartier für Generationen von Morgen und Übermorgen erarbeitet, bei dessen Beschreibung Stichwörter wie Schwammstadt und Nachhaltigkeit, neue Mobilitätskonzepte,

Transkription des Interviews mit Sabine de Buhr, Städtebauliche Leitung bei der IBA Hamburg GmbH im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Der geplante 105 Stadtteil Hamburgs Oberbillwerder will Stadt anders denken, lebendig und nachhaltig. Im lanungsprozess wird ein Quartier für Generationen von Morgen und Übermorgen erarbeitet, bei dessen Beschreibung Stichwörter wie Schwammstadt und Nachhaltigkeit, neue Mobilitätskonzepte,

Transkription des Interviews mit Sabine de Buhr, Städtebauliche Leitung bei der IBA Hamburg GmbH im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Der geplante 105 Stadtteil Hamburgs Oberbillwerder will Stadt anders denken, lebendig und nachhaltig. Im lanungsprozess wird ein Quartier für Generationen von Morgen und Übermorgen erarbeitet, bei dessen Beschreibung Stichwörter wie Schwammstadt und Nachhaltigkeit, neue Mobilitätskonzepte,

Transkription des Interviews mit Sabine de Buhr, Städtebauliche Leitung bei der IBA Hamburg GmbH im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Der geplante 105 Stadtteil Hamburgs Oberbillwerder will Stadt anders denken, lebendig und nachhaltig. Im lanungsprozess wird ein Quartier für Generationen von Morgen und Übermorgen erarbeitet, bei dessen Beschreibung Stichwörter wie Schwammstadt und Nachhaltigkeit, neue Mobilitätskonzepte,

Transkription des Interviews mit Sabine de Buhr, Städtebauliche Leitung bei der IBA Hamburg GmbH im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Der geplante 105 Stadtteil Hamburgs Oberbillwerder will Stadt anders denken, lebendig und nachhaltig. Im lanungsprozess wird ein Quartier für Generationen von Morgen und Übermorgen erarbeitet, bei dessen Beschreibung Stichwörter wie Schwammstadt und Nachhaltigkeit, neue Mobilitätskonzepte,

Oberbillwerder, Hamburgs 105. Stadtteil

Effektive Maßnahmen für urbanen Hitzeschutz

Dach- und Fassadenbegrünungen tragen am effektivsten dazu bei, die Erwärmung der Gebäude am Tag zu mindern: Sie spenden Schatten und kühlen die umgebende Luft durch Verdunstung.

(c) IBA Hamburg GmbH / Adept mit Karres en Brands
Abbildung: Planungsskizze eines Parkhauses mit Solarpanelen und Begrünung durch Rasen, Sträucher und Bäume auf dem Dach. Das Gewächshaus auf dem Dach lässt einen Anbau von Gemüse vermuten. An der Frontfassade wachsen Rankenpflanzen an einer licht- und luftdurchlässigen Unterkonstruktion.
Oberbillwerder, Hamburgs 105. Stadtteil

Die Entwässerung eines neuen Stadtteils einfach erklärt

In Oberbillwerder gibt es eine kontrollierte Sammlung, Speicherung und Ableitung des Wassers. Dadurch entstehen insbesondere im Freiraum, dem Grünen Loop, viele naturnahe Wege entlang der Entwässerungsgräben. Der neue Hamburger Stadtteil ist für die Retention (Rückhaltefunktion) von außergewöhnlichen Starkregenereignissen gerüstet.

Sprecherin (00:00):
Das Entwässerungssystem bei Starkregen im neuen Stadtteil Oberbillwerder. 

Hamburgs 105. Stadtteil Oberbillwerder liegt im Bezirk Bergedorf direkt an der S-Bahn-Station Allermöhe. In Oberbillwerder entstehen auf einer Fläche von 118 Hektar sechs bis 7000 Wohnungen in unterschiedlichen Typologien, bis zu 5000 Arbeitsplätze, sowie alles, was ein lebendiger Stadtteil braucht. Der Freiraum mit dem grünen Loop bildet das Herzstück, das die Quartiere miteinander verbindet. Wie werden die Flächen heute entwässert? Aktuell fließt Regenwasser überirdisch über die vorhandenen Bestandsgräben in den nördlichen Bahngraben entlang der S-Bahn-Strecke. Bei starkem Regen bzw. bei einem sogenannten Starkregenereignis kann das Regenwasser nicht schnell abfließen und bleibt derzeit auf den Flächen stehen. Der Boden besteht zum größten Teil aus wasserundurchlässigen Bodenschichten und ist nicht versickerungsfähig. Wie funktioniert die Entwässerung nach der Bebauung? Es werden zwei Systeme hergestellt und die Entwässerung voneinander getrennt. Ein inneres System für das Wasser in Oberbillwerder und ein äußeres System für die vorhandenen Flächen. Das Regenwasser aus den nördlich liegenden landwirtschaftlich genutzten Flächen fließt in den neuen nördlichen Randgraben und von dort in den bestehenden nördlichen Bahngraben. Für den Stadtteil Oberbillwerder gibt es das Konzept der kontrollierten Entwässerung, Speicherung und Ableitung des Wassers bei normalem Regen sowie bei Starkregen. Zunächst wird Sand aufgeschüttet und ein Gelände modelliert, das durch Höhen und Tiefen mit entsprechendem Gefälle angelegt wird.


Dabei gibt es keine Verbindung zum Grundwasser. Eine zentrale Rolle spielen der grüne Loop sowie die Entwässerungsgräben und Mulden in Oberbillwerder, die durch unterschiedliche Höhen das Wasser in die gewünschte Richtung ableiten. Das Regenwasser wird in Oberbillwerder auf unterschiedlichen Wegen zurückgehalten und dadurch im Abfluss gedrosselt. Dies funktioniert wie ein Schwamm, der zunächst Wasser aufsaugt und zeitlich kontrolliert wieder abgibt. Es gilt die Grundregel: das Regenwasser von Oberbillwerder bleibt temporär in Oberbillwerder und sorgt so dafür, dass die umliegenden Siedlungsgebiete und Landwirtschaftsflächen vor Überschwemmungen aus dem neuen Gebiet geschützt sind. Im grünen Loop gibt es beispielsweise grüne Nutz-und Pflanzflächen, die als Überflutungsflächen für ein berechnetes Wasservolumen hergestellt werden. Das sogenannte Grabenprofil ist so geplant, dass es sich bei steigender Regenmenge nach und nach füllt und das Wasser dann kontrolliert in den nördlichen Bahngraben ableitet. Die eingebauten Kippwehre sorgen für Kontrolle und erhöhte Sicherheit. So ist sichergestellt, dass auch bei starkem Regen Straßen und Wege nutzbar bleiben. Als zukunftsfähiger Stadtteil muss Oberbillwerder auch für große Starkregenereignisse gerüstet sein. Deswegen gibt es in Oberbillwerder Bereiche, die sicher geflutet werden können. Diese Überflutungsflächen liegen tiefer im Gelände, in Fließrichtung und können zusätzlich große Regenmengen aufnehmen und zurückhalten. Dazu zählen unter anderem Sportplätze und Flächen im grünen Loop.


Ziel ist es, dass das Regenwasser gespeichert wird und dann kontrolliert über einen längeren Zeitraum gedrosselt abfließen kann. Dabei ist die Menge genau berechnet worden, damit alle an Oberbillwerder angrenzenden Bebauungen und Nachbarstadtteile geschützt sind. So wird auch das Schöpfwerk Allermöhe entlastet, das bei heutigem Starkregen stark gefordert ist. Regenwasser wird in Zeiten des Klimawandels gebraucht. Oberbillwerders Entwässerungskonzept ermöglicht eine moderne, kontrollierte Speicherung und Entwässerung, die auch ein Starkregenereignis und darüber hinaus bewältigt. Die neuen Flachwasserzonen bieten heimischen Pflanzen und Tieren zusätzliche Lebensräume. Der grüne Loop wird für alle ein einmaliges Erholungsgebiet mit großen öffentlichen Freiräumen, mit abwechslungsreichen Spielplätzen und Sportflächen.

Oberbillwerder, Hamburgs 105. Stadtteil

Interview mit Sabine de Buhr

Die städtebauliche Leiterin der IBA Hamburg GmbH erzählt vom Entstehungsprozess Oberbillwerders. Von der Komplexität beim Planen eines zukunftsfähigen Stadtquartiers, der Notwendigkeit bestehende Stadtquartiere auf klimatische Veränderungen umzurüsten und der besonderen Rolle als internationale Bauausstellung (IBA).

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© IBA Hamburg / Bente Stachowske
Abbildung: Die Leiterin der IBA Hamburg GmbH Sabine de Buhr.

Transkription des Interviews mit Sabine de Buhr, Städtebauliche Leitung bei der IBA Hamburg GmbH im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Der geplante 105. Stadtteil Hamburgs Oberbillwerder will Stadt anders denken, lebendig und nachhaltig. Im Planungsprozess wird ein Quartier für Generationen von Morgen und Übermorgen erarbeitet, bei dessen Beschreibung Stichwörter wie Schwammstadt und Nachhaltigkeit, neue Mobilitätskonzepte, Nutzungsmischung und hohe Freiraumqualität, vernetzte Nachbarschaft und lebendige Vielfalt fallen. Für Bürgerinnen und Bürger sind dies nicht unbedingt geläufige Begriffe. Und in der Fachwelt bekannt, aber bisher gerade in dieser Intensität, wie sie in Oberbillwerder umgesetzt werden soll, noch nicht in der Praxis erprobt. Frau de Buhr, welche Rolle spielt die IBA Hamburg im Planungsprozess von Oberbillwerder?

Sabine de Buhr (SdB): Die IBA Hamburg ist eine städtische Projektentwicklungsgesellschaft in Hamburg und wurde 2016 mit der Planung des neuen Stadtteils beauftragt. Der Senat hat die Projekt Entwicklungsgesellschaft als erstes beauftragt einen Masterplan zu entwickeln, im Jahr 2000. Und dieser Masterplan wurde mit dem Planungsinstrument des wettbewerblichen Dialogs entwickelt. Der wettbewerbliche Dialog ist ein langer Prozess, der es ermöglicht, Bürgerinnen und Bürger, Expertinnen und Experten mit einzubinden und zwar von Anfang an, sodass wir ganz am Anfang erstmal ganz viel Wissen generiert haben zu allen Themen, die es für die Entwicklung eines Stadtteils geben muss, also Mobilität, Klimaschutz, Klimaanpassung, Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit ökologischer Nachhaltigkeit, sozialer Nachhaltigkeit, ökonomischer Nachhaltigkeit. Wir haben also am Anfang sehr viel Zeit und Energie darauf verwendet, das ganze Wissen für die Planung zu generieren in einer Auslobung zu formulieren, dass das dann auch Grundlage für das Wettbewerbsverfahren im Rahmen des wettbewerblichen Dialogs waren.

MK: Und was würden Sie sagen, wie gelingt es dann schlussendlich, ein zukunftsfähiges Quartier zu entwickeln?

SdB: Das gelingt insofern, dass man diese ganzen Parameter und Ansätze, die wir ganz am Anfang entwickelt haben, erstmal durch die Planung bringt und am Ende des wettbewerblichen Dialogs hat man ja den Sieger sozusagen, der das beste Konzept zur Umsetzung liefert, und dann ist es eben sehr wichtig, dass man diese ganzen Ideen, die da fixiert wurden, auch durch den ganzen anschließenden Planungsprozess durchträgt. Das heißt, dass der Siegerentwurf dann noch mal die fachlichen Planungsinstitutionen durchläuft und dann hat ja jeder so seine Anforderungen: an das Thema Grün und das Thema Wasser. An das Thema Dichte, an das Thema Städtebau und so weiter und da kommt es eben darauf an, dass man die Innovation zu diesen Themen auch beibehält und dass man nicht im Kontext dieser fachlichen Überarbeitung diese ganzen Innovationen verliert, sondern sie in die anschließenden Planungsinstrumente in Hamburg, sei es der Funktionsplan, das ist ein Plan, den man im Maßstab 1:1000 entwickelt, durchsetzt und dann im Weiteren in den Bebauungsplan überführt und am Ende eine Planungsgrundlage schafft, die so flexibel und so zukunftsorientiert ist, dass sie auf der einen Seite den State of the Art fixiert, aber auch offen genug ist, die neuen Innovationen oder die neuen Entwicklungen, die es gibt, zu integrieren und zu berücksichtigen. So ein Stadtteil zu planen, das dauert Jahrzehnte. Da fangen Sie vorne an, haben erstmal diese Konzepte und bis der Stadtteil steht kann so viel passieren, insbesondere was das Mobilitätsverhalten angeht. Was der Umgang mit Wasser angeht, was der Umgang mit Hitze angeht. Die Planung muss atmen können. Man sagt auch immer, das ist unser Grundgerüst. Aber so können wir das Grundgerüst auch weiterentwickeln. Das ist die hohe Kunst und das kann man mit so einem Projekt sehr gut machen, weil wir das gesamte Know How, das hierfür zuständig ist, unter einem Dach haben. Wir haben Bauingenieure, Architektinnen, Landschaftsplanende, Juristinnen, alle sind bei uns in der Gesellschaft, die praktisch dafür verantwortlich sind, so einen Stadtteil nachhaltig zu planen, zu organisieren und in die Umsetzung zu bringen.

MK: Mich würde auch interessieren, bis zu welchem Punkt der Projektentwicklung sie eingebunden waren und aus welchen Gründen?

SdB: Also wir waren wie gesagt von Anfang an eingebunden und wir haben den Auftrag bekommen von dem vom Senat diesen Masterplan zu entwickeln. Dann haben wir den Funktionsplan entwickelt. Der Bebauungsplan liegt in Hamburg bei den Bezirken. Diese hoheitlichen Planungsschritte, die sagen, die Bezirke der machen den Bebauungsplan, und dann, wenn der eine gewisse Reife hat, eine Verbindlichkeit, wird die IBA Hamburg dann anfangen mit der Flächenherrichtung. Das heißt, wir bauen Straßen und die Parks und die grünen Räume. Und wenn wir mit der Flächenherrichtung fertig sind und die Hochbaureife sozusagen vorliegt, dann vermarkten wir die Grundstücke und das ist auch noch mal wichtig, weil wir vermarkten die Grundstücke natürlich nur an die, die hier auch unsere Ziele einhalten. Alle Ziele, die wir im Plan verankert haben, schreiben wir auch aus im Konzept, den Ausschreibungen oder in Wettbewerben und die, die das am besten umsetzen, die bekommen dann von uns auch den Zugschlag, das heißt, die Investoren, die am besten die Hitzeentwicklung durch Fassadenbegrünung, durch grüne Dächer, durch PV, umsetzen, die die besten Konzepte im Sinne unseres bunten Stadtteils entwickeln. Die bekommen von der IBA den Zuschlag und dann dürfen sie bauen und dann gucken wir während der Bauphase aber auch nochmal drauf: machen die das richtig? Also erst am Ende, wenn sie fertig sind, wird die Planung oder der Bau von uns auch nochmal abgenommen. Das heißt, von Anfang bis zum Ende sind wir dafür da und schauen, dass diese Innovationen auch umgesetzt werden. Das ist der Vorteil dieser städtischen Projekt Entwicklungsgesellschaft.

MK: Jetzt ist Oberbillwerder ja ein neu geplanter Stadtteil. Aber wäre es dann auch möglich, in einem konventionellen bestehenden Quartier diese oder Teile dieser zukunftsträchtigen Aspekte zu integrieren?

SdB: Also ich glaube, das ist nicht die Frage, ob wir das können, sondern es müssen Konzepte entwickelt werden, die diesen Bestand an die zukünftigen Klimaschutzziele anpassen. So viele neue Quartiere wird es zukünftig gar nicht mehr geben. Da kann man von Anfang an all das umsetzen, was man geplant hat. Aber die größte Herausforderung besteht darin, den Bestand, die Bestands Quartiere zu ertüchtigen und das kann man auch gut machen, man weiß ja, wie das geht. Man kann Flächen entsiegeln, man kann dem Thema Wasser mehr Raum geben und das es nicht direkt in die Siele abläuft, sondern an der Oberfläche verdunstet, langsam versickert, Kälte produziert. Man kann Gebäude nachträglich mit Grün ausstatten, man kann Dächer begrünen, man kann Fassaden Begrünung machen, all das kann man nachträglich noch einbauen, man kann auch Mobilitätskonzepte entwickeln. Ich denke, das ist erforderlich und das ist auch umsetzbar.

MK: Ja, ich danke Ihnen, Frau de Buhr, für Ihre Einschätzung und für die Weitergabe von Ihrem Wissen.

Oberbillwerder, Hamburgs 105. Stadtteil

Die IBA Hamburg und Oberbillwerder

Die IBA Hamburg GmbH ist eine 100-prozentige Tochter der Freien und Hansestadt Hamburg. Als städtische Entwicklungsgesellschaft plant die IBA Hamburg mit Oberbillwerder den 105. Stadtteil der Freien und Hansestadt Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Bergedorf und der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen.

Anfang 2018 hat der Hamburger Senat eine neue Entwicklungsgesellschaft, die IBA Projektentwicklungs GmbH & Co.KG (IPEG), eingerichtet, um die Realisierung von Oberbillwerder durchzuführen.

Zur Projekt–Website
(c) IBA Hamburg GmbH / Adept mit Karres en Brands
Abbildung: Planungsgrafik der IBA Hamburg von einem begrünten Wohnquartier des 105. Stadtteils. Mittig fließt ein etwa drei Meter breiter Bach mit Schilfbewuchs am Ufer und angrenzenden Rasenflächen. An beiden Seiten der parkähnlich angelegten Grünstreifen befinden sich nicht versiegelte Gehwege vor höheren Gebäuden mit vielen Glasfronten und Holzfassaden mit Balkonen. Auf den Grünflächen spielen Kinder, auf den Wegen gehen erwachsene Personen in sommerlicher Kleidung in der tiefstehenden Sonne spazieren.
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Nachhaltige Quartiersentwicklung

Gut!Zusammen, Aachen

Auf dem ehemaligen Gelände des Gut Branderhofs in Aachen-Burtscheid sollen 60 Wohnungen entstehen. Wichtige Aspekte sind die Förderung von Gemeinschaft, inklusives, generationsübergreifendes und gefördertes Wohnen, Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Viele engagierte Menschen haben sich 2016 zusammen geschlossen, um auf dem Gelände im Projektgruppen-initiierten Prozess (Bottom-Up) ein gemeinschaftliches Wohnprojekt zu realisieren. Ende 2023 wurde die Genossenschaft Gut!Zusammen Aachen eG gegründet, in der nun fünf Hausgemeinschaften formell unter einem Dach leben wollen.

Nachhaltige Quartiersentwicklung

(c) Karl Jankowski / baut architektur
Gut!Zusammen, Aachen

Luftaustausch und Kühlung

Die geplanten Grün- und Freiflächen sollen für Luftaustausch sorgen und somit auf natürliche Art zur Kühlung des Grundstücks beitragen. Geplant sind die Minimierung der Oberflächenversiegelung, die Pflanzung Schatten spendender Bäume sowie helle Holzfassaden. Weiterhin werden Laubengänge zur Erschließung der Wohnung Schatten spenden.

(c) Norbert Kloeters / 3PLUS FREIRAUMPLANER

Transkription des Interviews mit Sabine de Buhr, Städtebauliche Leitung bei der IBA Hamburg GmbH im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Der geplante 105 Stadtteil Hamburgs Oberbillwerder will Stadt anders denken, lebendig und nachhaltig. Im lanungsprozess wird ein Quartier für Generationen von Morgen und Übermorgen erarbeitet, bei dessen Beschreibung Stichwörter wie Schwammstadt und Nachhaltigkeit, neue Mobilitätskonzepte,

Transkription des Interviews mit Sabine de Buhr, Städtebauliche Leitung bei der IBA Hamburg GmbH im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Der geplante 105 Stadtteil Hamburgs Oberbillwerder will Stadt anders denken, lebendig und nachhaltig. Im lanungsprozess wird ein Quartier für Generationen von Morgen und Übermorgen erarbeitet, bei dessen Beschreibung Stichwörter wie Schwammstadt und Nachhaltigkeit, neue Mobilitätskonzepte,

Transkription des Interviews mit Sabine de Buhr, Städtebauliche Leitung bei der IBA Hamburg GmbH im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Der geplante 105 Stadtteil Hamburgs Oberbillwerder will Stadt anders denken, lebendig und nachhaltig. Im lanungsprozess wird ein Quartier für Generationen von Morgen und Übermorgen erarbeitet, bei dessen Beschreibung Stichwörter wie Schwammstadt und Nachhaltigkeit, neue Mobilitätskonzepte,

Transkription des Interviews mit Sabine de Buhr, Städtebauliche Leitung bei der IBA Hamburg GmbH im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Der geplante 105 Stadtteil Hamburgs Oberbillwerder will Stadt anders denken, lebendig und nachhaltig. Im lanungsprozess wird ein Quartier für Generationen von Morgen und Übermorgen erarbeitet, bei dessen Beschreibung Stichwörter wie Schwammstadt und Nachhaltigkeit, neue Mobilitätskonzepte,

Transkription des Interviews mit Sabine de Buhr, Städtebauliche Leitung bei der IBA Hamburg GmbH im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Der geplante 105 Stadtteil Hamburgs Oberbillwerder will Stadt anders denken, lebendig und nachhaltig. Im lanungsprozess wird ein Quartier für Generationen von Morgen und Übermorgen erarbeitet, bei dessen Beschreibung Stichwörter wie Schwammstadt und Nachhaltigkeit, neue Mobilitätskonzepte,

Transkription des Interviews mit Sabine de Buhr, Städtebauliche Leitung bei der IBA Hamburg GmbH im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Der geplante 105 Stadtteil Hamburgs Oberbillwerder will Stadt anders denken, lebendig und nachhaltig. Im lanungsprozess wird ein Quartier für Generationen von Morgen und Übermorgen erarbeitet, bei dessen Beschreibung Stichwörter wie Schwammstadt und Nachhaltigkeit, neue Mobilitätskonzepte,

Transkription des Interviews mit Sabine de Buhr, Städtebauliche Leitung bei der IBA Hamburg GmbH im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Der geplante 105 Stadtteil Hamburgs Oberbillwerder will Stadt anders denken, lebendig und nachhaltig. Im lanungsprozess wird ein Quartier für Generationen von Morgen und Übermorgen erarbeitet, bei dessen Beschreibung Stichwörter wie Schwammstadt und Nachhaltigkeit, neue Mobilitätskonzepte,

Gut!Zusammen, Aachen

Regenrückhaltung

Durch Dachbegrünungen entstehen Retentionsdächer. Diese halten Teile des Regenwassers zurück, welches zum Teil schon vor Ort verdunstet. Erst nach Sättigung des Retentionsraums fließt überschüssiges Wasser ab. Somit werden Abflussspitzen reduziert, da weniger Wasser, zeitverzögert in die Kanalisation gelangt.

(c) Norbert Kloeters / 3PLUS FREIRAUMPLANER
Gut!Zusammen, Aachen

Autoarme Siedlung durch vernetzte Nahmobilität

Mit einem Mobilitätskonzept, das einen Mix aus attraktiven Verkehrsangeboten vorsieht, soll langfristig das Verkehrsaufkommen im angrenzenden Quartier reduziert werden. Es beinhaltet unter anderem den Ausbau der Elektromobilität sowie anderer regenerativer Antriebsarten. Sharing-Systeme für Pkw und Fahrräder ermöglichen einen Verzicht auf private Autos. Das Fahrrad wird als wichtigste Säule im Verkehrsmittelmix betrachtet. Darüber hinaus sieht das Konzept eine Paketstation vor, die wie die Sharing-Systeme auch von der Nachbarschaft genutzt werden kann.

(c) Gut!Zusammen Aachen eG

Sprecherin (00:00):
Das Entwässerungssystem bei Starkregen im neuen Stadtteil Oberbillwerder. 

Hamburgs 105. Stadtteil Oberbillwerder liegt im Bezirk Bergedorf direkt an der S-Bahn-Station Allermöhe. In Oberbillwerder entstehen auf einer Fläche von 118 Hektar sechs bis 7000 Wohnungen in unterschiedlichen Typologien, bis zu 5000 Arbeitsplätze, sowie alles, was ein lebendiger Stadtteil braucht. Der Freiraum mit dem grünen Loop bildet das Herzstück, das die Quartiere miteinander verbindet. Wie werden die Flächen heute entwässert? Aktuell fließt Regenwasser überirdisch über die vorhandenen Bestandsgräben in den nördlichen Bahngraben entlang der S-Bahn-Strecke. Bei starkem Regen bzw. bei einem sogenannten Starkregenereignis kann das Regenwasser nicht schnell abfließen und bleibt derzeit auf den Flächen stehen. Der Boden besteht zum größten Teil aus wasserundurchlässigen Bodenschichten und ist nicht versickerungsfähig. Wie funktioniert die Entwässerung nach der Bebauung? Es werden zwei Systeme hergestellt und die Entwässerung voneinander getrennt. Ein inneres System für das Wasser in Oberbillwerder und ein äußeres System für die vorhandenen Flächen. Das Regenwasser aus den nördlich liegenden landwirtschaftlich genutzten Flächen fließt in den neuen nördlichen Randgraben und von dort in den bestehenden nördlichen Bahngraben. Für den Stadtteil Oberbillwerder gibt es das Konzept der kontrollierten Entwässerung, Speicherung und Ableitung des Wassers bei normalem Regen sowie bei Starkregen. Zunächst wird Sand aufgeschüttet und ein Gelände modelliert, das durch Höhen und Tiefen mit entsprechendem Gefälle angelegt wird.


Dabei gibt es keine Verbindung zum Grundwasser. Eine zentrale Rolle spielen der grüne Loop sowie die Entwässerungsgräben und Mulden in Oberbillwerder, die durch unterschiedliche Höhen das Wasser in die gewünschte Richtung ableiten. Das Regenwasser wird in Oberbillwerder auf unterschiedlichen Wegen zurückgehalten und dadurch im Abfluss gedrosselt. Dies funktioniert wie ein Schwamm, der zunächst Wasser aufsaugt und zeitlich kontrolliert wieder abgibt. Es gilt die Grundregel: das Regenwasser von Oberbillwerder bleibt temporär in Oberbillwerder und sorgt so dafür, dass die umliegenden Siedlungsgebiete und Landwirtschaftsflächen vor Überschwemmungen aus dem neuen Gebiet geschützt sind. Im grünen Loop gibt es beispielsweise grüne Nutz-und Pflanzflächen, die als Überflutungsflächen für ein berechnetes Wasservolumen hergestellt werden. Das sogenannte Grabenprofil ist so geplant, dass es sich bei steigender Regenmenge nach und nach füllt und das Wasser dann kontrolliert in den nördlichen Bahngraben ableitet. Die eingebauten Kippwehre sorgen für Kontrolle und erhöhte Sicherheit. So ist sichergestellt, dass auch bei starkem Regen Straßen und Wege nutzbar bleiben. Als zukunftsfähiger Stadtteil muss Oberbillwerder auch für große Starkregenereignisse gerüstet sein. Deswegen gibt es in Oberbillwerder Bereiche, die sicher geflutet werden können. Diese Überflutungsflächen liegen tiefer im Gelände, in Fließrichtung und können zusätzlich große Regenmengen aufnehmen und zurückhalten. Dazu zählen unter anderem Sportplätze und Flächen im grünen Loop.


Ziel ist es, dass das Regenwasser gespeichert wird und dann kontrolliert über einen längeren Zeitraum gedrosselt abfließen kann. Dabei ist die Menge genau berechnet worden, damit alle an Oberbillwerder angrenzenden Bebauungen und Nachbarstadtteile geschützt sind. So wird auch das Schöpfwerk Allermöhe entlastet, das bei heutigem Starkregen stark gefordert ist. Regenwasser wird in Zeiten des Klimawandels gebraucht. Oberbillwerders Entwässerungskonzept ermöglicht eine moderne, kontrollierte Speicherung und Entwässerung, die auch ein Starkregenereignis und darüber hinaus bewältigt. Die neuen Flachwasserzonen bieten heimischen Pflanzen und Tieren zusätzliche Lebensräume. Der grüne Loop wird für alle ein einmaliges Erholungsgebiet mit großen öffentlichen Freiräumen, mit abwechslungsreichen Spielplätzen und Sportflächen.

Gut!Zusammen, Aachen

Nachhaltige Quartiersentwicklung

Der ehemalige Reiterhof Gut Branderhof in Aachen wird durch das Bauvorhaben der fünf Baugruppen, die in der Genossenschaft Gut!Zusammen eG organisiert sind, gemeinsam mit dem Nachbarschaftsverein Gut!Branderhof e.V. sowie der Stadt Aachen neu entwickelt. Das Gesamtprojekt will dazu beitragen, Wohnen und Quartiersentwicklung in einem engen Zusammenhang zu denken: generationsübergreifend, nachhaltig, inklusiv und mit einer gelebten Nachbarschaft.

Zur Projekt–Website
(c) Gut!Zusammen Aachen eG

Transkription des Interviews mit Sabine de Buhr, Städtebauliche Leitung bei der IBA Hamburg GmbH im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Der geplante 105. Stadtteil Hamburgs Oberbillwerder will Stadt anders denken, lebendig und nachhaltig. Im Planungsprozess wird ein Quartier für Generationen von Morgen und Übermorgen erarbeitet, bei dessen Beschreibung Stichwörter wie Schwammstadt und Nachhaltigkeit, neue Mobilitätskonzepte, Nutzungsmischung und hohe Freiraumqualität, vernetzte Nachbarschaft und lebendige Vielfalt fallen. Für Bürgerinnen und Bürger sind dies nicht unbedingt geläufige Begriffe. Und in der Fachwelt bekannt, aber bisher gerade in dieser Intensität, wie sie in Oberbillwerder umgesetzt werden soll, noch nicht in der Praxis erprobt. Frau de Buhr, welche Rolle spielt die IBA Hamburg im Planungsprozess von Oberbillwerder?

Sabine de Buhr (SdB): Die IBA Hamburg ist eine städtische Projektentwicklungsgesellschaft in Hamburg und wurde 2016 mit der Planung des neuen Stadtteils beauftragt. Der Senat hat die Projekt Entwicklungsgesellschaft als erstes beauftragt einen Masterplan zu entwickeln, im Jahr 2000. Und dieser Masterplan wurde mit dem Planungsinstrument des wettbewerblichen Dialogs entwickelt. Der wettbewerbliche Dialog ist ein langer Prozess, der es ermöglicht, Bürgerinnen und Bürger, Expertinnen und Experten mit einzubinden und zwar von Anfang an, sodass wir ganz am Anfang erstmal ganz viel Wissen generiert haben zu allen Themen, die es für die Entwicklung eines Stadtteils geben muss, also Mobilität, Klimaschutz, Klimaanpassung, Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit ökologischer Nachhaltigkeit, sozialer Nachhaltigkeit, ökonomischer Nachhaltigkeit. Wir haben also am Anfang sehr viel Zeit und Energie darauf verwendet, das ganze Wissen für die Planung zu generieren in einer Auslobung zu formulieren, dass das dann auch Grundlage für das Wettbewerbsverfahren im Rahmen des wettbewerblichen Dialogs waren.

MK: Und was würden Sie sagen, wie gelingt es dann schlussendlich, ein zukunftsfähiges Quartier zu entwickeln?

SdB: Das gelingt insofern, dass man diese ganzen Parameter und Ansätze, die wir ganz am Anfang entwickelt haben, erstmal durch die Planung bringt und am Ende des wettbewerblichen Dialogs hat man ja den Sieger sozusagen, der das beste Konzept zur Umsetzung liefert, und dann ist es eben sehr wichtig, dass man diese ganzen Ideen, die da fixiert wurden, auch durch den ganzen anschließenden Planungsprozess durchträgt. Das heißt, dass der Siegerentwurf dann noch mal die fachlichen Planungsinstitutionen durchläuft und dann hat ja jeder so seine Anforderungen: an das Thema Grün und das Thema Wasser. An das Thema Dichte, an das Thema Städtebau und so weiter und da kommt es eben darauf an, dass man die Innovation zu diesen Themen auch beibehält und dass man nicht im Kontext dieser fachlichen Überarbeitung diese ganzen Innovationen verliert, sondern sie in die anschließenden Planungsinstrumente in Hamburg, sei es der Funktionsplan, das ist ein Plan, den man im Maßstab 1:1000 entwickelt, durchsetzt und dann im Weiteren in den Bebauungsplan überführt und am Ende eine Planungsgrundlage schafft, die so flexibel und so zukunftsorientiert ist, dass sie auf der einen Seite den State of the Art fixiert, aber auch offen genug ist, die neuen Innovationen oder die neuen Entwicklungen, die es gibt, zu integrieren und zu berücksichtigen. So ein Stadtteil zu planen, das dauert Jahrzehnte. Da fangen Sie vorne an, haben erstmal diese Konzepte und bis der Stadtteil steht kann so viel passieren, insbesondere was das Mobilitätsverhalten angeht. Was der Umgang mit Wasser angeht, was der Umgang mit Hitze angeht. Die Planung muss atmen können. Man sagt auch immer, das ist unser Grundgerüst. Aber so können wir das Grundgerüst auch weiterentwickeln. Das ist die hohe Kunst und das kann man mit so einem Projekt sehr gut machen, weil wir das gesamte Know How, das hierfür zuständig ist, unter einem Dach haben. Wir haben Bauingenieure, Architektinnen, Landschaftsplanende, Juristinnen, alle sind bei uns in der Gesellschaft, die praktisch dafür verantwortlich sind, so einen Stadtteil nachhaltig zu planen, zu organisieren und in die Umsetzung zu bringen.

MK: Mich würde auch interessieren, bis zu welchem Punkt der Projektentwicklung sie eingebunden waren und aus welchen Gründen?

SdB: Also wir waren wie gesagt von Anfang an eingebunden und wir haben den Auftrag bekommen von dem vom Senat diesen Masterplan zu entwickeln. Dann haben wir den Funktionsplan entwickelt. Der Bebauungsplan liegt in Hamburg bei den Bezirken. Diese hoheitlichen Planungsschritte, die sagen, die Bezirke der machen den Bebauungsplan, und dann, wenn der eine gewisse Reife hat, eine Verbindlichkeit, wird die IBA Hamburg dann anfangen mit der Flächenherrichtung. Das heißt, wir bauen Straßen und die Parks und die grünen Räume. Und wenn wir mit der Flächenherrichtung fertig sind und die Hochbaureife sozusagen vorliegt, dann vermarkten wir die Grundstücke und das ist auch noch mal wichtig, weil wir vermarkten die Grundstücke natürlich nur an die, die hier auch unsere Ziele einhalten. Alle Ziele, die wir im Plan verankert haben, schreiben wir auch aus im Konzept, den Ausschreibungen oder in Wettbewerben und die, die das am besten umsetzen, die bekommen dann von uns auch den Zugschlag, das heißt, die Investoren, die am besten die Hitzeentwicklung durch Fassadenbegrünung, durch grüne Dächer, durch PV, umsetzen, die die besten Konzepte im Sinne unseres bunten Stadtteils entwickeln. Die bekommen von der IBA den Zuschlag und dann dürfen sie bauen und dann gucken wir während der Bauphase aber auch nochmal drauf: machen die das richtig? Also erst am Ende, wenn sie fertig sind, wird die Planung oder der Bau von uns auch nochmal abgenommen. Das heißt, von Anfang bis zum Ende sind wir dafür da und schauen, dass diese Innovationen auch umgesetzt werden. Das ist der Vorteil dieser städtischen Projekt Entwicklungsgesellschaft.

MK: Jetzt ist Oberbillwerder ja ein neu geplanter Stadtteil. Aber wäre es dann auch möglich, in einem konventionellen bestehenden Quartier diese oder Teile dieser zukunftsträchtigen Aspekte zu integrieren?

SdB: Also ich glaube, das ist nicht die Frage, ob wir das können, sondern es müssen Konzepte entwickelt werden, die diesen Bestand an die zukünftigen Klimaschutzziele anpassen. So viele neue Quartiere wird es zukünftig gar nicht mehr geben. Da kann man von Anfang an all das umsetzen, was man geplant hat. Aber die größte Herausforderung besteht darin, den Bestand, die Bestands Quartiere zu ertüchtigen und das kann man auch gut machen, man weiß ja, wie das geht. Man kann Flächen entsiegeln, man kann dem Thema Wasser mehr Raum geben und das es nicht direkt in die Siele abläuft, sondern an der Oberfläche verdunstet, langsam versickert, Kälte produziert. Man kann Gebäude nachträglich mit Grün ausstatten, man kann Dächer begrünen, man kann Fassaden Begrünung machen, all das kann man nachträglich noch einbauen, man kann auch Mobilitätskonzepte entwickeln. Ich denke, das ist erforderlich und das ist auch umsetzbar.

MK: Ja, ich danke Ihnen, Frau de Buhr, für Ihre Einschätzung und für die Weitergabe von Ihrem Wissen.

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Ressourcen zum Städtebau

Broschüre
Das Klima-Handbuch für Kommunen

Lokal handeln, global verändern: der Einfluss der Kommunen

Kommunen können Pionierinnen des Wandels sein. Hier werden Handlungsspielräume und konkrete Beispiele zum Transformationsprozess in den Bereichen Energie, Mobilität, Bauen und Wohnen, Konsum sowie Ernährung vorgestellt.

Abbildung: Vorderseite des Klima-Handbuchs für Kommunen.
Broschüre
Status quo und Stellschrauben einer klimafolgenangepassten Städtebau- und Baupolitik

Alles geregelt? Klimafolgenanpassung in Bauplanungs- und Bauordnungsrecht

Bund, Länder und Kommunen haben unterschiedliche rechtliche Instrumente, um zunehmenden Hitzewellen entgegenzutreten. Die Publikation beleuchtet die Frage, wieviel Klimafolgenanpassung im Rahmen der geltenden Gesetze aktuell möglich ist und wie diese zukünftig besser berücksichtigt werden kann.

Broschüre
Klimaangepasste Gebäude und Liegenschaften

Empfehlungen

Gebäude zeigen gerade bei Hitze, Starkregen, Hochwasser und Sturm ihre Schwachstellen. Welche Möglichkeiten für das Bauen und Planen in Zeiten des Klimawandels gibt es?

Abbildung: Vorderseite der Broschüre Klimaangepasste Gebäude und Liegenschaften.
Plattform
WIN – Wissen, Informationen, Netzwerke

Informationsplattform für Gemeinschaftliches Wohnen

Die WIN-Förderdatenbank unterstützt Projektinitiativen und Projektträger bei der Finanzierungsplanung.
Der WIN-Wissenspool bietet Lernangebote und Informationen rund um das Gemeinschaftliche Wohnen und neue Wohnformen.

Abbildung: Logo des Programms WIN – Wissen, Informationen, Netzwerke für Gemeinschaftliches Wohnen.
Abbildung: Die Illustration zeigt einen Fassadenausschnitt eines Mehrparteienhauses. Auf jeder Etage gibt es einen Laubengang. Einzelne Stockwerke sind durch Freitreppen miteinander verbunden. Auf jeder Etage gibt es mehrere Wohnungseingangstüren in verschiedenen Farben. Viel Grün rankt sich entlang der Fassade und über die Brüstung der Laubengänge. Ein Postbote liefert Pakete an eine ältere Frau aus, die vor der geöffneten Wohnungstür steht. Ein Schulkind mit Rucksack geht die Treppe zu einem oberen Stockwerk hinauf.

Kühlende Architektur

Kühlende Architektur ist ressourcenschonend. Durch Wiederverwertung und einfache Technik.

Kühlende Architektur wirkt auf zwei Ebenen:

Im „kleinen Maßstab“ kann eine kluge Konstruktion verhindern, dass sich Gebäude aufheizen – und dies ressourcenschonend, unter Einsatz (möglichst) einfacher Technik (Lowtech). Traditionelle Bauweisen zeigen, wie es geht: Weltweit haben vernakuläre (ähnlich traditionellen) Architekturen in klimatisch heißen Regionen aus unterschiedlichsten Epochen ausgefeilte „hitzeabweisende“ bzw. „kühlende“ Bauformen und -techniken hervorgebracht, die heute beim klimaangepassten Bauen Anwendung finden (Beispiel siehe unten: Wohnen mit Kindern am Riedberg, Frankfurt am Main).

Im „großen Maßstab“ ermöglicht das Weiter- und Wiederverwenden sowie die von vornherein mitbedachte Wiederverwendbarkeit von Materialien das Bauen mit minimiertem Ressourcenverbrauch. Konsequent „zirkuläres“ Bauen vermindert so den – in der Baustoffproduktion anfallenden – Ausstoß von Treibhausgasen, die zur Erderwärmung beitragen (Beispiel siehe unten: CRCLR-House, Berlin-Neukölln. Der Begriff „Müll“ kommt hier nur noch als Synonym für eine wertvolle Ressource vor.)

Selbstbestimmt Planen und Bauen

Wohnen mit Kindern am Riedberg, Frankfurt am Main

Das farbenfrohe Haus ist ein gemeinschaftliches Wohnprojekt für zehn Familien und eine Kindertagesstätte (Kita). Die Genossenschaft wurde 2014 von Wohnbund Frankfurt und bb22 architekten + stadtplaner gegründet. Durch die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Architekten, Projektentwicklern und der Hausgemeinschaft ist ein besonderes Haus als Beispiel für zukünftiges Bauen und Wohnen entstanden.

Selbstbestimmt Planen und Bauen

Foto © Felix Krumbholz Photography
Abbildung: Seitenansicht des dreigeschossigen Neubaus mit dunkler Holzfassade und Laubengang des Projekts Wohnen mit Kindern am Riedberg in Frankfurt am Main. Im Vordergrund befindet sich im Schatten ein zu dem Projekt gehörendes Beet mit Büschen und Sträuchern.
Wohnen mit Kindern am Riedberg, Frankfurt am Main

Ein gutes Raumklima braucht mehr als nur gedämmte Fassaden

Schiebeläden sorgen für Sonnenschutz in allen Räumen. Die schmalen Wohnungen mit gegenüberliegenden Fenstern sind hell und lassen sich querlüften. Kurze Laubengänge bilden gemeinschaftlich bepflanzte Terrassen. Zwischen den beiden Baukörpern liegt der schattige Innenhof.

Das Projekt setzt viele Ansätze aus der Forschung des baukonstruktiven Hitzeschutzes um. Einblicke in die Forschung gibt die Hochschule Luzern (HSLU).

Foto © Felix Krumbholz Photography
Abbildung: Blick aus dem Innenhof eines dreigeschossigen Neubaus mit dunkler Holzfassade auf die Laubengänge, die über Treppen mit den anderen Etagen verbunden sind. Die Sonne scheint und die als Sonnenschutz dienenden bunten Schiebeläden auf allen Etagen am Ende der Laubengänge sind geschlossen.
Einblicke in die Forschung: Baukonstruktiver Hitzeschutz

«Bereit für den Klimawandel?»

So lautet eine Studie der Hochschule Luzern aus dem Jahr 2020. Erforscht wurden die wichtigsten klimarelevanten Aspekte und Präventionsmaßnahmen in der Architektur. Wichtige Faktoren stellen die Orientierung, Fenster, auskragende Elemente, Oberflächen sowie Verschattungselemente dar.

Leitfaden zum Herunterladen
© HSLU Hochschule Luzern, Bereit für den Klimawandel?
Abbildung: Ein Leitfaden der Hochschule Luzern mit 11 wichtigen klimarelevanten Aspekten in der Architektur für Planende.
Baukonstruktiver Hitzeschutz

Interview mit Sandra Köster

Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe Nachhaltiges Bauen und Erneuern (HSLU) spricht über vernakuläre Architektur, kühlende Fassaden und wie ein Quartier aus der Sicht des sommerlichen Wärmeschutzes gedacht werden muss, um öffentliche Räume angenehm für Menschen zu gestalten.

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Sandra Köster
Abbildung: Foto von Sandra Köster.

Transkription des Interviews mit Sandra Köster, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Nachhaltiges Bauen und Erneuern am Institut für Gebäudetechnik und Energie IGE an der Hochschule Luzern – Technik & Architektur im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Lowtech, die Zukunft von Hightech. Baukonstruktiver sommerlicher Wärmeschutz bedeutet, dass die Architektur selbst den Wärmeschutz bildet, anstatt dass ein Gebäude mit hightech Kühlungsverfahren ausgestattet wird. Damit kann der „Rebound Effekt“ konventioneller Kühlungsgebäudetechnik durch einfache, kühlungsoptimierte Methoden wie Gebäudeorientierung, Gebäudeöffnungen, Dachformen, Verschattungselemente und Oberflächen mit ihren positiven Auswirkungen auf das Gebäude- aber auch das Quartiersklima ausgehebelt werden. Sandra Köster, wie muss ein Quartier aus der Sicht des sommerlichen Wärmeschutzes gedacht werden, um öffentliche Räume angenehm für Menschen zu gestalten?

Sandra Köster (SK): Ja, da schauen wir am besten erst mal zu den Ländern aus dem globalen Süden, denn die haben natürlich die größte Erfahrung mit der Hitze über Jahrhunderte hinweg und der beste Aspekt ist eigentlich der Baum, der Baum, der in den meisten Dörfern und Ortschaften auf dem Versammlungsplatz steht und den Dorfkern ziert. Und dann haben wir natürlich die Zwischenräume/ Übergangszonen, die von außerordentlicher Bedeutung sind. Sie fungieren hervorragend als Begegnungszonen. Aber sie sind eben auch sehr gut geeignet für den Wind- und Wetterschutz und für die Zirkulation von kühlender Luft, um die Hitze schnell von dem Platz, von dem Ort, von der Fassade wegzubringen. Das kann durch Abstufung gelingen, also durch Verschattungselemente. Dazu zählen zum Beispiel horizontale und vertikale Verschattungselemente unter anderem der Brise Soleil, der in natürlichen Formen ausgebildet werden, kann wie mit Textil, Holz, Metall. Und was natürlich auch sehr wichtig ist, ist der Ziegel oder der Lehmstein, mit dem traditionell sehr viel gebaut worden ist. Und das Besondere hieran ist, dass er einen großen Speicherungseffekt hat. Das heißt, dass sich die Aufwärmung verzögert, das bringt natürlich auch viel Kühle und die Verzögerung der Aufwärmung mit sich.

MK: Du hattest es ja eben schon angesprochen: Die Fassaden spielen eine große Rolle. Welche Ideen gibt es bereits für kühlende Fassaden, die einen Einfluss sowohl auf das Gebäude als auch auf das Quartiersklima haben?

SK: Ja, da gehen wir jetzt ins Detail. Also es sind häufig die kleinen Elemente, die eine große Rolle spielen. Es sind zum Beispiel bewachsene Sonnensegel, Pergolen im Stadtraum. Bei Spielplätzen macht man das ja häufig schon oder auch beim Wohnen im Alter, dass es verschattete Sitzflächen unter Pergolen gibt. Diese ganzen Stadtraumverschattungen können natürlich auch Dächern genutzt werden. Und dann gibt es den sehr großen Übergang von Stadtraum zu Wohnraum. Das sind die sogenannten halböffentlichen Plätze, und da haben wir sehr viele Möglichkeiten mit halb geöffneten Unterständen, mit Arkaden, mit Laubengängen und horizontalen Auskragungen zu agieren. Was die Fassade angeht: dort gibt es natürlich auch von der Materialität sehr viele Varianten. Da haben wir die klassischen Holzlamellen, die in den Zwischenräumen ermöglichen, die Hitze abzuführen und je nach Fassadenausrichtung sind diese unterschiedlich ausgeführt. Es gibt schmale oder breitere Elemente und auch der Winkel ist natürlich ausschlaggebend, je nach Orientierung. Dann gibt es noch perforierte Lochbleche, die auch optisch und ästhetisch sehr schön sein können. Was mir jetzt an der Stelle noch wichtig ist, ist das, was wir aus den Traditionen anderen Ländern lernen können. Ein Klassiker sind die persischen Architekturelemente Badgir und Makav, welche seit Jahrhunderten als natürliche Lüftung in den Gebäuden verwendet worden sind. Sie funktionieren so, dass aus der Windrichtungsseite kühler Windeintrag in das Haus geholt wird, also die sogenannte Windschaufel, und das zweite Element ist der Auslass, der die Hitze meist entgegengesetzt der Windrichtung ablässt.

MK: Du hattest ja eben auch schon angesprochen. Wer vernakuläre Architektur; was genau bedeutet das?

SK: Ja, das ist ein spannender und wichtiger Aspekt. Historisch gesehen ist vernakulär das Herausbilden von einheimischen, traditionellen Entwicklungen. Und das vernakuläre Bauen bezeichnet die Form, die sich über den Versuch und Irrtum generiert. Das heißt, es werden bauliche Aspekte über die Beobachtung der Topografie des Winds, Schnees, Regens und Schattens über viele Jahrhunderte herausgebildet und das immer lokal, regional, für die Anpassung an vorhandene klimatische Bedingungen. In Kombination mit lokalen Ressourcen wie Baumaterialien, Transportmöglichkeiten, Handwerkskunst und Fertigkeiten, wird das Bauen bestimmt. Und für mich persönlich ist die vernakuläre Architektur das Dynamische, das Prozesshafte, das Lebendige in seinem ganz eigenen natürlichen Tempo – langsam, still und leise.

Häuserbau der Zukunft

Schutz gegen Hitze statt gegen Kälte

Bisher spielte ein Kühlkonzept bei Wohnungen kaum eine Rolle; wichtig war das Heizkonzept. Dieser Schwerpunkt verschiebt sich zunehmend, weil die Klimaveränderung vermehrt für heiße Sommer sorgt.

Tagesschau-Sprecher Franz Fischlin: (00:00):
In diesen heißen Tagen laufen sie wie verrückt. Klimaanlagen in Büros oder Läden, Restaurants und auch Wohnungen. Ein Szenario, das auch in Zukunft immer wieder auftreten könnte. Bis ins Jahr 2100 könnte sich das Klima in der Schweiz zwischen 3,2 und 4,8 Grad erwärmen, so eine von mehreren Klimaprognosen des Bundes. Dass diese Erwärmung direkte Auswirkungen auf den Bau von Häusern hat, zeigt eine Studie der Hochschule Luzern. Künftig müssen Häuser gebaut werden, welche gegen Kälte, aber auch gegen Wärme genügend gedämmt sind.

Berichterstatter: (00:36):
Dieses Haus im Luzernischen Nebikon gilt als Rolls-Royce unter den Minergiehäusern. Bestens isoliert mit Erdsonde und Wärmepumpe ist es sehr energieeffizient. Allerdings gegen die drohende Hitze ist es nicht gewappnet. Gemäß Studie erwärmt es sich stark. Auf 26 oder mehr Grad erhitzt hätte es sich 2004 an 82 Stunden. Im Jahre 2100 würden es bei normalem Sommer 340 Stunden, bei heißem Sommer gar über 1000 Stunden sein. Der Bau von Gebäuden muss überdacht werden.

Gianrico Settembrini, Studienleiter, Hochschule Luzern: (01:13):
Bisher haben wir die Gebäude gegen die Kälte im Winter geschützt. Neu müssen wir andenken, wie wir die Gebäude gegen die Hitze im Sommer schützen müssen und wie man diese Gebäude behaglich halten kann, effizient und ohne groß energetischen Aufwand.

Berichterstatter (01:30):
Die Studie erachtet immer größere Fensterflächen als problematisch. Intelligente Beschattungsanlagen seien zwingend.

Gianrico Settembrini (01:38):
Im Weiteren sind zwei große Themen von Bedeutung. Das ist die Lüftung der Gebäude und die Kühlung der Gebäude. Das sind Systeme gefragt, die besonders wenig Energie brauchen.

Berichterstatter (01:49):
Beim Bundesamt für Energie sieht man nach dieser Studie Handlungsbedarf bei Bauvorschriften und Normen.

Andreas Eckmanns, Bundesamt für Energie BFE (01:56):
Die Studie, die betont wirklich noch einmal das Ausmaß. Also gerade bei den Wohnbauten ist ein Sommer wie jetzt mehr Standard als Ausnahme. Und da muss ein Umdenken stattfinden. Das geht von den Vorschriften über die Bau- und Energie-Normen bis hin zum individuellen Benutzerverhalten.

Berichterstatter (02:13):
Statt Heizen heißt es in Zukunft vermehrt effizient kühlen, z. B. mit Wärmepumpen, welche im Sommer die überschüssige Wärme im Erdreich einlagern, damit das Sparziel der Schweizer Energiestrategie 2050 aufgeht.

Baukonstruktiver Hitzeschutz

Lebenswerte Wohn- und Stadträume

Vom Klima als Entwurfsfaktor über das Gestalten lebenswerter Stadträume und das Forschen zu Energie und Behaglichkeit bis hin zur Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Die Vision ist es ressourcenschonender, zukunftsfähiger und bedürfnisgerechter zu bauen und zu erneuern.

Zum HSLU–Artikel
© Climabau Nele_Azevedo_in_Chamberlain_Square,_Birmingham_UK
Minimum Monument Art-Installation von Nele Azevedo in Chamberlain Square, Birmingham UK. Die in schwarz-weiß gehaltene Illustration zeigt auf zwei Ebenen sitzende Skulpturen. Es wirkt wie dahinschmelzende Körper im überhitzten Stadtklima.
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Transformation bauen

CRCLR-House, Berlin-Neukölln

Nach dem Selbstverständnis der Bauherrin TRNSFRM eG als gemeinwohlorientierte Bauträgerin kann heutzutage nur noch sozial sein, was ressourcensparsam ist und sich klimapositiv auswirkt. Entsprechend stand bei der Planung des seit 2015 auf dem ehemaligen Areal der Kindl-Brauerei entwickelten Wohnprojekts mit Co-Working-Space (Ort des gemeinsamen Arbeitens) das Thema Zirkulär Bauen im Mittelpunkt.

Transformation bauen

Foto © Andreas Trogisch
Abbildung: Fassade des fünfstöckigen CRCLR-House in Berlin-Neukölln. Der untere Teil besteht aus einem zweigeschossigen historischen Bestandsgebäude, darüber befinden sich Aufbauten, die nach den Prinzipien des zirkulären Bauens entstanden sind.
CRCLR-House, Berlin-Neukölln

Ein erster Schritt vom Wissen zum Tun

Die Gründe für die von Vielen als erforderlich erachtete Bauwende sind bekannt. Das motiviert – aber was wissen wir wirklich darüber, wie wir es tun sollten? Das CRCLR-House in Berlin-Neukölln ist eine gebaute Antwort auf diese Frage. Ein Experiment, ein Schritt „vom Wissen zum Tun“.

Grundsätze zum Herunterladen
Abbildung: Elf Grundsätze des CRCLR-House zum ressourcensparenden Bauen.
CRCLR-House, Berlin-Neukölln

Bauwende in der Praxis

Am Anfang stand die Entscheidung, die vorhandene zweigeschossige Industriearchitektur nicht abzureißen, sondern umzubauen und um drei Geschosse zu erweitern. Das folgt dem Grundsatz: weiterverwenden.

Besonders in den beiden gewerblich genutzten Bestandsgeschossen wurden beim Innenausbau viele gebrauchte Materialien und Bauteile verbaut. Das folgte dem zweiten Grundsatz: wiederverwenden.

Bei der Aufstockung ging es schwerpunktmäßig um die zukünftige Wiederverwendbarkeit, um also bei zukünftigen, noch unbekannten Bauaufgaben als Materialressource zur Verfügung zu stehen: wiederverwendbar planen.

Zeichnung zum Herunterladen
Abbildung: Grafik einzelner Bestandteile des CRCLR-Houses.
CRCLR-House, Berlin-Neukölln

Ein Haus aus Holz und Stroh

Auch Kohlenstoffdioxid (CO₂) ist Müll. Alle klimawirksamen Gase sind letztlich unkontrollierbare Abfallprodukte. Beim Bau des CRCLR House wurde konsequent auch diese Form von Müll vermieden.

So bindet die Aufstockung – solange sie besteht – aufgrund ihrer strikten Materialbeschränkung auf nachwachsende Rohstoffe ca. 150 Tonnen CO₂. Ein Neubau hätte mindestens 600 Tonnen CO₂ emittiert, die so der Umwelt erspart wurden.

Abbildung: Blick aus dem Rohbau der Aufstockung des CRCLR-Hauses. Innen gibt es eine Holzvertäfelung, die Fassade besteht aus nachwachsenden Rohstoffen. Außen vor der Fassade steht ein Baugerüst.
CRCLR-House, Berlin-Neukölln

Rezyklierte Baustoffe – Urban Mining („Bergbau in der Stadt“)

Fast alle Fenster in der Aufstockung bekommen im CRCLR-House ein zweites Leben. Zu den gebrauchten Bauteilen wurden zum Teil auch Abfälle gezählt. So entstanden zum Beispiel fünf hoch-wärmegedämmte Hauseingangstüren aus den Resten anderer Baustellen.

Abbildung: In einem Werkraum wird eine gebrauchte Tür aufgearbeitet und gedämmt, um sie für das CRCLR-House zu verwenden.
CRCLR-House, Berlin-Neukölln

Das Prinzip Schrauben
statt Kleben

Um Bauteile des CRCLR-House künftig für andere Aufgaben wiederverwenden zu können, wurden Materialien und Bauteile demontierbar geplant und gebaut.

Beispielhaft dafür ist der Dachaufbau: bei der c2c-zertifizierten Folie sind nur die Bahnen miteinander, aber nicht mit der Holzkonstruktion darunter verschweißt, sondern mechanisch befestigt.

Diese Abdichtung kann in Zukunft zusammengerollt und an anderem Ort wiederverwendet werden.

Abbildung: Querschnitt des Dachaufbaus des CRCLR-House.
CRCLR-House, Berlin-Neukölln

Gemeinschaftlich wohnen

Die vom Wohnprojekt Campus Cosmopolis bezogenen Wohnflächen sind überwiegend in Wohnungs-Clustern organisiert: Knapp geschnittene Wohnungen bilden zusammen mit großzügigen Gemeinschaftsflächen, wie z.B. Gästezimmer, Waschküche, Fahrradabstellraum oder großem Bad, Wohneinheiten von bis zu 400 Quadratmetern.

Grundriss zum Herunterladen
Abbildung: Grundriss der vom Wohnprojekt Campus Cosmopolis bezogenen Wohnflächen, die überwiegend in Wohnungs-Clustern organisiert sind.
CRCLR-House, Berlin-Neukölln

Interview mit Christian Schöningh

Der Architekt des CRCLR-House erzählt vom Neuland des zirkulären Bauens, auch aus Bauherren-, Steuerungs- und Projektentwicklungssicht. Vom unterstützungsfreudigen Bezirksamt, visionären Zielen und der Wichtigkeit eines funktionierenden Planungsteams.

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© Silvia Carpaneto
Abbildung: Portrait von Christian Schöningh, Architekt des CRCLR-Houses

Transkription des Interviews mit Christian Schöningh, Architekt des CRCLR-House im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Das CRCLR House in Berlin ist die praktische Umsetzung der Theorie des Zirkulären Bauens. Bisher gibt es wahrscheinlich kein anderes Projekt dieser Größenordnung, deutschlandweit, europaweit, das so konsequent das zirkuläre Bauen erprobt hat. Der Entstehungsprozess des CRCLR House, das Wohnen, Arbeiten und gemeinschaftliches Leben beinhaltet, läuft seit 2015 und seitdem wird mit Pioniergeist ausprobiert, gescheitert und gelernt. Herr Schöning, können Sie einmal kurz in den Entstehungsprozess skizzieren?

Christian Schöningh (CS): Sie haben ja schon den Zeitraum genannt: 2015 bis zur Fertigstellung 2023 sind immerhin 8 Jahre. Und der Entstehungsprozess ist geprägt von einer Gruppe von recht jungen Leuten, die ganz in der Nähe eine Betreiberimmobilie hatten, also ein kleines, altes gründerzeitliches Hinterhaus und Fabrikgebäude, fünf-geschossig, wo sie etwas Ähnliches auf die Beine gestellt haben wie das CRCLR-House heute sich darstellt. Betreiberimmobilie heißt, die vermieten nicht einfach nur, sondern sie kümmern sich auch um Inhalte. Sie kuratieren das Haus also: sie suchen gezielt Nutzer aus, die zu einem bestimmten Profil passen, das dem Haus gegeben wird. Und das war beim CRCLR-House, also zu Zeiten dieser Initiative, die zirkuläre Kreislaufwirtschaft. Und um das jetzt nicht zu sehr auszudehnen, mache ich einen kurzen Schwenk. Wir haben dann die Bauherrengesellschaft gegründet, die TRNSFRM eG, die diesen planungs- und bauunerfahrenen Leuten diese Aufgabe treuhänderisch abgenommen hat oder angeboten hat: wir machen das für euch, wir hören euch zu, was braucht ihr, was habt ihr euch vorstellt,  und wir übersetzen das mit einer gewissen Professionalität, aus den Erfahrungen vorangegangener Projekte und setzen das für euch um. Und dann haben wir im nächsten Schritt auch gemeinsam gesagt, es kann natürlich nicht sein, dass das zirkuläre Wirtschaften bzw. Leben in dem Haus eine Rolle spielt und das Haus selbst das nicht widerspiegelt. Und deswegen hat die TRNSFRM eG sich auch über dieses Projekt hinaus das Ziel formuliert, zirkulär zu bauen. Das wird auch für weitere Projekte der TRNSFRM eG gelten.

MK: Und was würden Sie sagen, sind so die besonderen Herausforderungen, wenn man zirkulär bauen möchte?

CS: Also ich würde mal sagen, das wirklich herausfordernde war, dass es Neuland ist. Egal wohin man guckt. Also ich habe dieses Projekt hier sowohl aus der Bauherrenperspektive, als auch dann später aus der Planerperspektive bearbeitet und kann es auch rückblickend beurteilen. Und ich würde mal sagen, gerade bei der Bauherrenaufgabe kommen ganz viele Herausforderungen auf einen zu, weil das ganze Umfeld ja überhaupt nicht darauf vorbereitet ist. Also der Begriff „zirkuläres Bauen“ ist zwar im Augenblick in vieler Munde. Aber wirklich wissen, was das ist, das tut noch niemand. Also wir selbst auch nicht. Als wir angefangen haben schon mal gar nicht und auch jetzt behaupten wir nicht, dass wir wissen, wie das geht und so muss man das machen. Die Herausforderung ist, dass man eigentlich wie auf Eis geht. Und die Entscheidungen, die im Laufe eines solchen Planungs- und Bauprozesses getroffen werden müssen, bauen ja meistens aufeinander auf und haben miteinander zu tun. Und gerade die Entscheidungen am Anfang sind für die Ausrichtung des Projektes bzw. wo man am Ende landet, wirklich enorm wichtig. Wenn man dann auf einem Terrain unterwegs ist, wo man sich nicht auskennt und nur so ein verbal beschriebenes Ziel formuliert hat, dann ist es eine Herausforderung, gerade am Anfang, die richtigen Entscheidungen zu treffen. 

MK: Wenn sie da im Rückblick beispielsweise an die Kommunen denken, also an Unterstützungsmöglichkeiten: was können Kommunen dazu beitragen, damit Projekte wie das CRCLR-House gelingen kann?

CS: Ich würde sagen, da gibt es zwei Ebenen. Einmal wirklich das, was in unserem Projekt stattgefunden hat. Also wenn ich darf, möchte ich die Gelegenheit nutzen, dem Bezirksamt Neukölln von Berlin, Abteilung Stadtentwicklung/ Bauaufsicht meinen Dank auszusprechen und eine Anerkennung dafür, wie dieses Projekt dort behandelt wurde. Natürlich geht es darum, dass Dinge genehmigt werden, die vielleicht auch außergewöhnlich sind. Wobei die Spielräume da natürlich eng sind, und zwar nicht nur für die Genehmigungsbehörde, auch für alle Beteiligten, für die Planer und die Bauherren. Also vom Amt zu verlangen, dass gegen die Bauordnung irgendwas genehmigt wird, das will und kann niemand. Das kann auch niemand wollen. Aber ein Beispiel: wir sind gut und schnell bedient worden mit einer Baugenehmigung. Das ist herausragend gewesen. Und ein Detail: wir haben mit unserer Bauweise, die zur anderthalb Meter höherer Oberkante des Gebäudes geführt hat, tatsächlich die Ausnahme vom Bebauungsplan, der die Oberkante festgelegt hatte, begründet. Und da mussten wir nicht drumherum reden, sondern das ist durchaus üblich, dass man bei solchen Anträgen auf Befreiung oder Ausnahme, dass man Wortklauseln nimmt, bei denen man weiß, das geht gut. Wir haben einfach gesagt, wir wollen Fenster wiederverwenden, die sind 2,60 m hoch. Daraus ergibt sich eine Geschosshöhe, die ist so und so hoch mal drei, gibt einen Meter. Beim Dach haben wir uns noch etwas Besonderes überlegt, um da nicht mit Folien arbeiten zu müssen -das brachte noch mal einen halben Meter Höhe, so dass wir 1,50 m Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe hatten. Letztendlich wurde diese Überschreitung mit ökologischen Begründungen genehmigt. Das finde ich bemerkenswert, habe ich so noch nicht erlebt. Und dann gibt es noch die andere Ebene. Ich weiß zum Beispiel von Friedrichshain, Kreuzberg, das Bezirksamt arbeitet da gerade dran, Abriss zu erschweren oder teuer zu machen, um bestehende Bausubstanz zu erhalten. Umzunutzen ist eigentlich Paragraph 1 des zirkulären Bauens. Es ist nicht das Wiederverwenden, es ist das Weiterverwenden, das noch viel ressourcenschonender ist als jegliche Wiederverwendung oder Recycling. Da können die Kommunen, in dem sie Abrissanträge etwas restriktiver behandeln und vielleicht auch wirklich sachlich fachlich hinterfragen: „was machen die denn da, warum wollen die graue Energie vernichten?“ Aber das ist ein weites Feld, aber da kann dem Gedanken des zirkulären Bauens mit Sicherheit geholfen werden. Ob das Thema in Bebauungsplänen auch Einzug finden kann, das weiß ich nicht. Das ist mit Sicherheit ein ganz dickes Brett. Für die Kommunen gilt im Grunde das gleiche wie für Bauherren, Planer oder auch Firmen. Es gibt bestimmte Aspekte, da sollten wir es einfach mal machen. Einfach mal ausprobieren, damit Erfahrungen sammeln und gucken, wie man diesen Gedanken weiterentwickeln kann.

MK: Ja, das braucht also Verständnis. Das CRCLR-House behandelt so viele Themen. Wenn sie sich für eines entscheiden müssten, was würden sie einem Projekt, das vorhat, in zirkulärer Bauweise zu bauen, vor allem raten?

CS: Da steht für mich Bedarfsgerechtigkeit vorne an, was vielleicht gar nicht vordergründig so zirkulär erscheint. Zirkulär bauen ist kein Selbstzweck, es geht darum, sparsam mit Ressourcen umzugehen. Und es gibt keine größere Verschwendung, als am Bedarf vorbei zu planen und zu bauen. Das nächste ist: nutzungsoffene Gebäude. Auch das bedient wieder einen Aspekt des Zirkulären Bauens, der einem vielleicht nicht als allererstes in den Sinn kommt, aber auf den Lebenszyklus betrachtet natürlich wahnsinnig wichtig ist. Dass die Gebäude nicht nur für das, was einem jetzt zur Zeit vorschwebt, funktionieren, sondern auch eine zweite oder dritte Nutzungs- oder Lebensphase zu ermöglichen. Das heißt Gebäude müssen nutzungsoffen geplant werden. Und das nächste – nochmal mit dem Rückgriff auf den Punkt, dass es ja kein Selbstzweck ist, sondern letztendlich um ressourcensparsames Bauen geht – oder es geht ja um gebaute Umwelt, das sind ja auch nicht nur nicht einfach nur einzelne Häuser, sondern man muss es ja auch wirklich im Gesamtkontext sehen. Und da sind die Parameter, die für das Planen und Bauen gelten, die sind eigentlich sehr technisch. Ich sage nur mal einen Begriff: der Energiebedarf eines Gebäudes wird pro qm gerechnet und nachgewiesen und ist limitiert pro qm Wohnfläche, was insofern vollkommen unsinnig ist, weil es letztendlich darauf ankommt (in der Bilanz) wie viel Energie und am Ende dann Co2 Äquivalente ein Mensch verursacht. Also es geht eigentlich um den Fußabdruck des Menschen. D.h. eine gewisse Nutzungsdichte muss in den Häusern vorgesehen werden. Und jetzt vielleicht noch etwas, was so etwas wie ein Rat ist: 

Ich hatte eingangs schon gesagt, dass man sich ein bisschen wie auf einer Eisfläche fühlt und ein bisschen unsicher unterwegs ist. Man muss wahnsinnig aufpassen, sich nicht von sogenannten Sachzwängen ablenken zu lassen. Man muss das Ziel ganz klar definieren. Da reicht es nicht, dem Planungsteam zu sagen: ich will zirkulär bauen. Sondern man muss sich das wirklich gemeinsam erarbeitet: was bedeutet das in unserem Projekt? Was könnte das bedeuten? Und diese Agenda ganz strikt verfolgen, über Jahre und bei jeder Entscheidung, die getroffen wird, immer wieder kritisch hinterfragen: gefährde ich damit meine Ziele? Und um das in einem einigermaßen geschmeidigen Prozess hinzukriegen, ist es wahnsinnig wichtig, dass das Planungsteam gut funktioniert. Man kann  wird bei solch relativ ehrgeizigen Programmen das Ziel nicht erreichen, wenn da nicht wirklich alle Hand in Hand arbeiten. Und das ist letztendlich auch eine Aufgabe des Projektsteuerers/des Bauherrn, dieses Team zu steuern und für ein gutes Miteinander im Planungsprozess zu sorgen.

MK: Vielleicht auch noch mehr als im normalen Baum.

CS: Man kann eigentlich die Aufgaben nicht einfach delegieren und sagen „du machst, du machst das“. Weil doch einige Ansätze so anders sind, dass man immer rückkoppeln muss, also jegliche Materialentscheidung oder Bauweise ist am Ende mit dem Brandschutzprüfer rückzukoppeln.

MK: Dann danke ich ihnen vielmals für ihre Einschätzung und die Weitergabe von ihrem Wissen.

Ein Haus aus Müll. Bauen für eine saubere Zukunft

Klimafreundlich bauen im großen Stil

Ein Filmteam hat den Prozess des CRCLR-House für Arte über knapp drei Jahre begleitet und bis kurz vor der Fertigstellung dokumentiert.

Berichterstatterin (00:10):
Alice Gedamu hat eine große Vision. Sie will die Baubranche revolutionieren. Dafür plant sie ein Haus aus Abfall.

Alice Gedamu (00:18):
Das Haus steht für die Vision von einer müllfreien Gesellschaft. Was wir viel sehen, ist, dass die Rohstoffe verwendet werden und immer schneller, immer schneller eigentlich zu Müll werden. Und wir wollen dieses Konzept Müll ad acta legen.

Berichterstatterin (00:31):
Alice will beweisen, dass man bauen kann, ohne Rohstoffe zu verschwenden und stattdessen gebrauchte Baustoffe verwendet. Gemeinsam mit Simon Lee will sie einen Prototypen bauen.

Simon Lee (00:41):
Also müssen wir das umsetzen, was wir predigen und suchen Wege, um diesen Ort zu gestalten.

Berichterstatterin (00:47):
Ein Riesenprojekt. Es geht um einen zweistelligen Millionenbetrag.

Simon Lee (00:52):
Ein stinknormales Haus zu bauen, warum soll ich das tun? Das war nicht auf meiner Agenda. Aber an einem großen Experiment mitzuwirken, mit all den positiven Auswirkungen, die wir uns erhoffen, ein Tun zu erreichen, das ist natürlich mega spannend und auch erfüllend.

Berichterstatterin (01:09):
Ist es möglich, im großen Stil klimafreundlich zu bauen?

Berichterstatterin (01:26):
Berlin, im Sommer 2018. In Neukölln soll die Fassladehalle der ehemaligen Kindl-Brauerei aufgestockt werden mit recycelten Baustoffen und Materialien, die später weiterverwendet werden können. Die Bauherren Alice Gedamu, Simon Lee und Laurence Pagni. Alice hat vorher bei einem großen Müllkonzern gearbeitet und Simon im Finanzwesen. Die Baubranche – Neuland.

Alice Gedamu (02:06):
Jetzt geht’s bald los und keiner von uns hat jemals in seinem Leben gebaut. Und das ist schon echt krass. Ich weiß nicht wie es dir geht, Simon. Aber mir geht der Arsch schon manchmal auf Grundeis. Wir wollen das auch noch zirkulär machen, wo alle Architekten uns angucken und sagen: Was? Wie genau wollt ihr das machen?

Simon Lee (02:28):
Womit ich mich beruhige ist, wenn man durch die Stadt läuft, überall stehen Häuser. Das heißt, wir sind nicht die ersten, die gerade ein Haus bauen.

Berichterstatterin (02:35):
Ökologische Bauweisen sind teuer. Gebrauchte Materialien zu verwenden, könnte Kosten sparen.

Laurence Pagni (02:44):
Es gibt auch finanzielle Vorteile, diese Materialien zu benutzen, wie zum Beispiel recycelter Beton. Es ist günstiger.

Simon Lee (02:55):
Das ist eine Hypothese, die wir noch beweisen müssen.

Berichterstatterin (02:59):
Alice, Simon und Laurence gründen ein Unternehmen für abfallfreies Wirtschaften. Bisher werden Häuser abgerissen und weggeworfen, weil ein Neubau billiger ist, obwohl die meisten Baustoffe jahrhundertelang halten würden. Die Fassladehalle konnten Alice und Simon mit der Hilfe einer Stiftung retten.

Alice Gedamu (03:20):
Wenn wir es schaffen, dass das Haus einfach ein Prototyp dafür ist, zu zeigen, man kann günstig so bauen, dass man eigentlich Müll reduziert. Das wäre halt der Wahnsinn. Irgendwie kann das Haus der Zukunft nicht eigentlich der Müll der Zukunft sein, sondern eben das Materiallager der Zukunft?

Berichterstatterin (03:39):
Hier sollen Wohnungen und Gewerberäume entstehen, ökologisch und günstig.

Alice Gedamu (03:45)
Ich bin fest davon überzeugt, dass es andere Formen des Zusammenwirtschaften, Zusammenlebens gibt, und zwar Formen, wo die Wirtschaft einen positiven Fußabdruck in der Welt hat.

Berichterstatterin (03:57):
Alice gewinnt immer mehr Anhänger für die Idee. Die Vorstellung, dass Ressourcen in Kreisläufen erhalten bleiben, begeistert Sponsoren und Unterstützer.

Alice Gedamu (Übersetzung) (04:13):
Lass uns Freitag einen Kaffee trinken mit ein bisschen Zeit. Ich freue mich mehr zu hören. Bis dann.

Berichterstatterin (04:18):
Bis zum Baubeginn veranstalten Simon und Alice Vorträge zu Nachhaltigkeitsthemen, auch um die laufenden Kosten zu finanzieren.

Alice Gedamu (04:28):
Lass mal nach vorne laufen. Gerne mit zwei Händen.

Simon Lee (04:37):
Hier ist meine Rede.

Alice Gedamu (04:39):
Hier ist meine.

Alice Gedamu (Übersetzung) (04:45):
Wenn die meisten Menschen an Abfälle und Deponien denken, dann denken sie, dass Abfall eklig ist. Wenn wir aber an Abfall denken, dann denken wir an verpasste Chancen. Und Veranstaltungen wie heute zeigen uns, dass wir damit nicht alleine sind.

Berichterstatterin (05:08):
Der Plan: In zehn Monaten soll hier ein mehrstöckiges Wohn- und Arbeitshaus entstehen. 2019: der Rückbau beginnt. Aus dem Veranstaltungsraum wird eine Lagerhalle. Was hier liegt, wird normalerweise weggeworfen. Insgesamt ist die Baubranche für über 50 Prozent der Abfälle verantwortlich. Für die Jungunternehmer beginnt jetzt der Zeitdruck. Jeder Tag ohne Veranstaltung bringt ein Minus auf dem Konto. Die Architektin Nathalie Sword und Alice Gedamu überlegen, wie sie die Abfälle weiterverwenden können.

Alice Gedamu (05:43):
Das klingt ein Stück weit schon so, als wäre das auch eine neue Ära des Bauens. Also wirklich ein komplett neuer Ansatz, der vielleicht auch eine neue Ästhetik mit sich bringt. Ziemlich neue Prozesse.

Nathalie Sword (05:57):
Also es ist auf jeden Fall heute in diesen Kontexten ein absolut neuer Gedanke. Wie du schon sagst, allein schon dieses Erfassen von Materialien in der Stadt. Wir sagen immer, das ist wie so eine Art Materialbank, die eigentlich so über der Stadt liegen sollte.

Alice Gedamu (06:11):
Weißt du, was der Stand mit diesem Material ist? Also das Material haben wir hier in dem Haus bestimmt schon zehn Mal von einer Seite zur nächsten getragen und wir haben es nie weggeworfen oder entsorgt. Aber wir wussten auch nie genau, warum wir das eigentlich tun. Hat sich das gelohnt, dass wir das aufbewahrt haben?

Nathalie Sword (06:30):
Also für uns nicht.

Berichterstatterin (06:31):
Nicht alles lässt sich weiterverwenden, auch weil sich Baubestimmungen im Laufe der Jahre geändert haben. Ein paar Monate später wird das Dach abgenommen. Die alten Stahlträger und auch Teile vom Holz sollen später noch verwendet werden. Ab jetzt heißt es Zeit ist Geld.

Simon Lee (06:59):
So, hier haben wir schon mal mit dem Erdbau angefangen.

Berichterstatterin (07:02):
Jetzt kommt der Praxistest für die Vordenker.

Alice Gedamu (07:06):
Ist echt krass, oder? Wer hätte das gedacht, dass wir hier mal jetzt echt die Bagger und so sehen? Wie fühlt sich das für dich an?

Simon Lee (07:16):
Ich habe jetzt Respekt vor jedem Haus, was steht, was da alles dranhängt von Schallschutz und Brandschutz und Statiker und dieser Ingenieur und jener Prüfingenieur. Das ist echt Wahnsinn.

Alice Gedamu (07:27):
Das heißt, dieser Transfer in die Praxis von Papier zu echten Backsteinen ist dann der, der auch herausfordernd ist, oder? Wo man halt sieht, ob eine Idee sich bewährt oder nicht.

Simon Lee (07:40):
Genau, wenn man etwas zirkulär bauen will, braucht man die Ressourcen, man braucht mehr Zeit. Es ist alles komplizierter. Man braucht mehr Geld und das haben wir auch nicht.

Berichterstatterin (07:47):
Ungeahnt tauchen Hindernisse auf. Eine Betonplatte muss teuer entfernt werden. Aufträge, mit denen Alice und Simon Geld verdient hätten, brechen plötzlich weg. Ein Investor springt ab. Der Druck wird immer größer.

Alice Gedamu (08:06):
Und was ist, wenn uns das Geld ausgeht? Was ist, wenn wir unsere Ziele nicht erreichen?

Simon Lee (08:13):
So wie ich den Bau jetzt wahrnehme, muss ich auch sagen, wir sind nicht on time, wir sind zu spät und haben viele Konflikte, die einfach aufgrund der Tatsache bedingt sind, dass einfach unglaublich viel Druck, viel Zeitdruck, viel Gelddruck im Spiel ist.

Alice Gedamu (08:29):
Was ich über mich gelernt habe, ist, dass Finanzdruck was ist, was mir sehr, sehr schwerfällt. Und da hatte ich einige schlaflose Nächte, in denen ich schweißgebadet aufgewacht bin, weil ich dachte, wir schaffen das nicht.

Simon Lee (08:49):
Also haben wir uns ein bisschen übernommen aus deiner Sicht. Oder die Ziele oder die Vision war ein bisschen zu ehrgeizig für dieses Jahr.

Alice Gedamu (08:59):
Ja, ich glaube, da ist ja viel zusammengekommen.

Berichterstatterin (09:02):
Kurz darauf steigt Alice aus dem Projekt aus. Ist das das Ende der innovativen Idee? Wie kann es weitergehen? Der Boom im Bausektor ist ungebrochen. Damit ist die Branche auch ein Treiber des Klimawandels. Laut UNO-Bericht entstehen fast 40 Prozent der Treibhausgasemissionen in der Baubranche. Herbst 2021: Simon hat durchgehalten.
Auch wenn der Familienpapa Kinder und Baustress nur schwer unter einen Hut bringen kann – aufgeben will er nicht. Simon ist weiter Vorstand im Unternehmen und kümmert sich um die Finanzen.

Simon Lee (09:57):
Okay, danke. Ja, thanks. Bye bye, talk later. Ach, ich hatte vor drei Jahren oder so, wo es langsam intensiver wurde, ein Aha-Erlebnis, weil ich war total gestresst von diesen ganzen Themen und habe den Stress auch mit nach Hause genommen und mit dem Coach drüber gesprochen. Und da gab es dann die ganz banale Erkenntnis, dass diese Konflikte ja mein Job sind. Wenn es kein Konfliktpotenzial gibt und alles ist klar und jeder weiß, was er zu tun hat, dann braucht es meine Rolle gar nicht.

Berichterstatterin (10:27):
Der größte Konflikt. Das Projekt dauert länger als geplant und das kostet Geld. Simon hat die Verantwortung gegenüber den Investoren. Vor allem aber will er die Vision von günstigen Mieten umsetzen. Heute ist Baubesprechung.

Simon Lee (10:42):
Alle Kosten, die wir hier produzieren, zahlt am Ende ganz am Ende der Kette doch der Nutzer. Deshalb ist es natürlich super schmerzhaft, wenn wir wissen, wir brauchen drei Monate länger, dann kann man das gleich ausrechnen, was das kostet. Und dann muss man gucken, ob man es dann irgendwie hinschieben kann.

Berichterstatterin (10:57):
Das Team hat sich in neuer Besetzung einen neuen Zeitrahmen gesetzt. Christian Schöningh hat die Rolle des Architekten übernommen. In zwei Monaten soll Richtfest sein.

Christian Schöningh (11:10):
Die absolute Priorität hat der Rohbau und den Beitrag, den wir dafür liefern müssen. Und das sind nunmal die Strohaußenwände. Und da ist, wir hatten ja drei Wochen Vorsprung und die sind einfach weg. Die haben sich innerhalb von drei Wochen auf null reduziert, was ich wirklich sehr bedauerlich finde. Also Motto ist Volldampf bis nächste Woche in der Vorfertigung der Wandelemente inklusive Stroh und Putz. 

Ich arbeite hier in so einer Zwitterstellung, halb Architekt, halb Bauleiter und dann bin ich auch noch Bauherr. Das ist schon ein bisschen Ämterhäufung. Es war in meinen Projekten aber immer so. Also wenn man was anders machen will, kann man eben nicht auf routinierte Strukturen zurückgreifen.

Berichterstatterin (12:05):
Christian hatte die Idee, die zwei Etagen mit Wänden aus Stroh aufzustocken. Eine Bauweise, die zwar zugelassen ist, aber in der Praxis bisher kaum angewendet wird.

Christian Schöningh (12:19):
Es gibt in der Architektur so gut wie keine Forschung und es gibt auch unheimlich wenig Experimente, weil beim Bauen experimentieren, das ist so eine Sache. Also wenn wirklich ein Haus hinterher bei rauskommen soll, dann ist es schon ein ziemliches Risiko.

Berichterstatterin (12:33):
Christian und Simon haben aus ganz Deutschland Mitarbeiter angeworben. Die organisieren sich hier eigenständig. Noch gibt es nur wenige Fachkräfte, die die Stroh-Bauweise beherrschen.

Christian Schöningh (12:48)
Können wir das hier machen?

Alexander Burkhardt oder Dan Hiller!? (12:49):
Was denn?

Christian Schöningh (12:50):
Besprechung.

Alexander Burkhardt oder Dan Hiller!?  (12:51):
Hier jetzt?

Christian Schöningh (12:52):
Hier jetzt, ja. Können wir einmal auf den Plan gucken? Also ich erinnere mich daran, als wir rekapituliert hatten, dass so ein Tagesdurchsatz von vier oder fünf Elementen eigentlich machbar ist. Und wenn es kleine sind, könnte man ja einfach mal als These sagen, ihr schafft fünf am Tag. So, dann sind das drei, fünf, drei, fünf. Das wäre die ganze…

Alexander Burkhardt oder Dan Hiller!?  (13:16):
Ich denke, es werden zwei, drei übrig bleiben.

Christian Schöningh (13:19):
Okay. Der Druck kommt nur wegen des Geldes. Das ist, man kann jedes Problem runterbrechen aufs Thema Geld. Wir haben wirklich mit unserer Holzbestellung haben wir den absoluten Höhepunkt in der Holzbeschaffungskrise erwischt. Wir haben in diesem Bau alleine eine halbe Million mehr ausgeben müssen, weil das Holz so teuer geworden ist.

Berichterstatterin (13:42):
Holz ist auf der Baustelle das wichtigste Material. Daraus entstehen die Rahmen für die Strohwände. Die Strohballenfüllung wird frisch vom Feld angeliefert.

Mitwirkender 2 (13:56):
Okay, bis oben werde ich drücken.

Alexander Burkhardt oder Dan Hiller!?  (13:59):
Ja.

Mitwirkender 2 (14:01):
Okay. Ja.

Alexander Burkhardt oder Dan Hiller!?  (14:04):
Okay.

Berichterstatterin (14:06):
Abschließend wird die Wand verputzt. Wird das Haus mal abgerissen, kommen die Wände einfach auf den Kompost – im Gegensatz zu konventionellen Bauteilen. Juliette Pignol kommt aus Grenoble und hat Umweltmanagement studiert. Sie ist verantwortlich für die Beschaffung von gebrauchten Bauteilen aus Stahl. Hier fehlt ein Geländer.

Juliette Pignol (14:31):
Heute gehen wir zur Mollstraße. Da ist ein Hotel, wo wir wahrscheinlich, hoffentlich viele gebrauchte Bauteile abbauen werden. Das ist einfach krass zu sehen, wie viel Energie und CO es produziert für Bauteile, die dann vier Jahre später einfach im Müll landen. Stahl ist ein sehr schweres Material, was sehr viel CO braucht für die Herstellung. Ich habe jetzt keine Zahl mehr im Kopf, aber das war so ungefähr zweimal Paris – New York mit dem Flugzeug.

Berichterstatterin (15:00):
Tag für Tag fährt Juliette von Baustelle zu Baustelle, immer auf der Suche nach Materialien, die andere wegschmeißen.

Juliette Pignol (15:11):
Wenn ich auf der Baustelle bin, dann bin ich einfach so: Hey, ich möchte gerne den Müll wegnehmen. Manche Leute sind auch sehr vorsichtig, glaube ich, und sie würden auch keine Entscheidungen treffen, weil sie kennen das Thema nicht.

Berichterstatterin (15:26):
In der Nähe vom Alexanderplatz hat Juliette eine spannende Immobilie gefunden. Das alte Hotel soll wahrscheinlich abgerissen werden. Juliette und ihr Team dürfen mitnehmen, was sie gebrauchen können.

Juliette Pignol (15:43):
Hi, Morgen. Hier geht’s rein?
Hier sind diese Briefkästen immer noch, die wir sehr schön finden. Könnten wir auch den Rest verschenken oder so, weißt du, oder woanders einbauen? Also, wie demontiert man das? Keine Ahnung. Ich glaube nicht, dass ich es verstehe.

Christian Schöningh (16:07):
Ich meine, die Frage ist natürlich, Schlüssel wird es nicht mehr geben, ne?
Neue Schlösser und Schlüssel besorgen, ist wahrscheinlich teurer als neue Briefkästen zu kaufen.

Handwerker (16:18):
Die musst du erstmal alle rauskriegen, die Schlösser. Die musst du ausbohren.

Juliette Pignol (16:23):
Okay, ja.

Christian Schöningh (16:26):
Ich bin da eigentlich ziemlich rabiat. Ich bin nicht bereit dafür, Mehrkosten zu tragen, weil wir haben ja auch noch andere Prinzipien und das ist das kostengünstige Bauen und das günstige Vermieten. Und das ist ein Zielkonflikt bei dem zirkulären Bauen oder beim Wiederverwenden von Bauteilen. Du hast den Aufwand, hast es dann hinterher bei dir liegen, musst es dreimal in die Hand nehmen, irgendwo rumräumen. Dabei geht es kaputt, es wird dreckig und hinterher stellt sich heraus, du kannst es nicht gebrauchen.

Juliette Pignol (16:50):
Aber es reicht für die Galerie und die Treppen eventuell. Weißt du?

Hey! Hi, ich bin Juliette.

Amadeus Albrecht (17:00):
Genau, wir haben uns ja nur online gesehen bis jetzt, das ist jetzt schön mal live.

Berichterstatterin (17:05):
Amadeus Albrecht verwaltet die Immobilie.

Juliette Pignol (17:08):
Ich habe eine ganz wichtige Frage für dich. Habt ihr noch die Schlüssel vom Briefkasten oder gar nicht mehr?

Amadeus Albrecht (17:15):
Doch, die müssten noch alle da sein.

Juliette Pignol (17:18):
Yes! Das ist richtig gut. Weil wir haben eben gesagt, wenn wir jetzt alle Zylinder und Schlüssel wechseln müssen, dann lohnt sich das gar nicht mehr für uns. Aber wenn wir jetzt die Schlüssel haben, dann nehmen wir das doch.

Amadeus Albrecht (17:30):
Doch, doch die kriegt ihr.

Juliette Pignol (17:31):
Ach, mega nice! Okay. Ich freue mich für das Projekt, dass es klappt, weil es ein riesiges Gebäude ist. Und ich glaube für mich, also zumindest ich arbeite jetzt seit zwei Jahren, das ist das erste Mal, dass ich so ein großes Gebäude, also dass das sowas passiert. 

Hier ist alles so neu angebaut. Ich vermute, das wurde fast nicht benutzt.

Handwerker (17:53):
Das ist noch nicht lange benutzt. Die Duschwanne hier ist auch noch nicht so alt.

Christian Schöningh (17:57):
Duschwannen können wir nicht gebrauchen.

Berichterstatterin (17:59):
Für jedes Teil müssen Sie einzeln entscheiden, ob sie es weiterverwenden können, auch um die Bauauflagen einzuhalten.

Christian Schöningh (18:07):
Also der Antrieb ist schon, also Forschergeist wahrscheinlich, also einfach Dinge anders machen. Ich finde es langweilig, immer wieder das Gleiche zu machen. Also das Prinzip halte ich schon seit Jahrzehnten durch, immer wieder was Anderes zu machen. Und ich sage mal, unterm Strich sind wahrscheinlich die Experimente oder die für uns entdeckten Innovationen sind wahrscheinlich auf lange Strecke verträglicher für den Planeten. Das ist natürlich auch ein Teil vom Motiv. 

Ja, wir müssen auch ein bisschen drüber nachdenken und dann, wir wissen, wie wir sie erreichen und wir bleiben in Kontakt. Danke. Tschüss.

Amadeus Albrecht:
Tschüss.

Amadeus Albrecht (18:46):
Es gibt noch viele Hindernisse, aber ich denke, das ist die Zukunft trotzdem. Ich denke eher, dass die Politik da was ändern muss und die Bauregeln geändert werden müssen, als dass wir weiterhin so mit den Ressourcen umgehen können.

Berichterstatterin (19:00):
Juliette misst noch einmal alle Bauteile aus, in der Hoffnung, dass sie möglichst viel wiederverwenden kann.

Juliette Pignol (19:11):
Bei mir ist es so, dass ich irgendwie Lust habe, dass es klappt. Ich kann das nicht so wirklich erklären. Das ist halt mein Deal. Ich will, dass wir mindestens ein oder zwei Bauteile daraus nehmen, damit wir das als gute Erfahrung nehmen können. Und natürlich auch für die Ressourcen.

Berichterstatterin (19:33):
Welche Materialien sie nehmen und ob sich das Experiment überhaupt lohnt, wird sich erst in ein paar Wochen herausstellen
Alice hat das Projekt aus der Ferne begleitet. Anderthalb Jahre nach dem Bruch treffen sich die Freunde, um sich noch einmal auszutauschen, was damals passiert ist.

Simon Lee (19:57):
Ja, zeig mal. Oh wow.

Laurence Pagni (übersetzt) (20:00):
Ich hatte einen „Afro“.

Simon Lee (20:05):
Wir hatten diese Woche des Schreckens. Es gab so eine Crunchtime von ein, zwei Wochen, wo nur schlechte Nachrichten auf uns eingeprasselt sind. Der große Auftrag, der schon sicher war, kommt nicht. Finanzierung, die schon sicher war, kommt nicht.

Alice Gedamu (20:22):
Alle drei waren wir sehr unterschiedlich positioniert in dem, was passiert ist. Wir hatten da verschiedene Perspektiven drauf.
Für mich gab es Gefühle von Schuld und Scham und Schmerz und ich weiß, dass für Laurence und Simon von Scheitern, für Laurence und Simon auch noch mal eigene Gefühlsblumensträuße mit dieser Situation einhergingen und zu dem Schluss zu kommen, ich werde es vielleicht nicht langfristig begleiten. Das war ein unglaublich harter Prozess, wo es auch Etappen gab, wo wir kaum miteinander kommunizieren konnten.

Simon Lee (20:58):
Es gab Etappen, da haben wir uns nicht getraut, uns zu dritt zu treffen ohne einen neutralen Coach dabei. Da gab es auch so ne Etappen, was auch schlau war im Nachhinein. Weil wir wussten trotzdem, wir müssen da durch.

Alice Gedamu (21:10):
Wir müssen reden. Weil auch wenn wir gerade nicht in einem Raum sein können und so wie wir jetzt hier stehen mit dieser guten Energie, das war überhaupt nicht so. Es war eher so…

Berichterstatterin (21:23):
Eine Zeit lang ist jeder eigene Wege gegangen, aber die Freundschaft hat gehalten und die Idee lebt weiter.
Es ist Herbst geworden. Die ersten Stürme setzen ein. Ausgerechnet als die Strohwände aufgestellt werden. Alexander Burkhardt und Dan Hiller sind heute die ersten vor Ort.

Alexander Burkhardt (21:46):
Genau die kann dann direkt hier reingestellt werden.

Dan Hiller (21:48):
Also, eigentlich nur die hier weg?

Alexander Burkhardt (21:50):
Oder ne wir lassen die, die lassen wir stehen und die nehmen wir weg.

Dan Hiller (21:53):
Ah, dann nehmen wir die weg, wenn wir die eventuell verbauen sollten. Das ist die eine für da hinten.

Alexander Burkhardt (21:57):
Ja, dann nehmen wir die jetzt direkt hier raus.

Dan Hiller (21:59):
Lass uns die doch rausholen wenn wir sie verbauen. Nichts abgeplant, nichts ist vorbereitet dann.

Mitwirkender 4 (22:20):
Kannst du mir erst mal oben eine Zwinge geben. Kannst du die mal halten?

Mitwirkender 5 (22:23):
Ja, ich halte.

Dan Hiller (22:26):
Wir werden jetzt noch ein paar Stunden am Werken sein, weil die Wände müssen noch irgendwie heute hingestellt werden. Das heißt wahrscheinlich geht es noch bis 20 Uhr. Ist jetzt nicht so dermaßen motivierend. Vor allen Dingen. Herbst. Dunkelheit, Wind, vielleicht ein bisschen Regen. Aber was tut man nicht alles für eine gute Baustelle.

Berichterstatterin (22:42):
Nur noch wenige Wochen bis zum Richtfest. Die Wände und das Stroh müssen vor Regen geschützt werden. Zusätzliche Arbeitsschritte, die Zeit kosten. Für alle werden die Arbeitstage länger. Auch für Simon.

Simon Lee (23:07):
Also wir sind alle wirklich unter Strom. Akku ist nicht bei 100 Prozent. Man kennt es vielleicht bei seinem Telefon, wenn das Telefon älter ist und man lädt es auf, dann ist der ganz schnell wieder, obwohl er geladen ist, wieder bei 10 Prozent. So geht es uns gerade allen. Also wirklich viel Kapazität oder viel Puffer ist einfach nicht mehr da.
Ich glaube, der Grad der Experimentierfreude wird mir erst jetzt im Tun nach und nach bewusst. Und vorher wusste ich das gar nicht. Das war doch klar, dass wir anders bauen. Und ich glaube, für mich persönlich war das mit eine Motivation, ein stinknormales Haus zu bauen. Warum soll ich das tun? Das war nicht auf meiner Agenda. Aber an einem großen Experiment mitzuwirken, mit all den positiven Auswirkungen, die wir uns erhoffen, im Tun zu erreichen. Das ist natürlich mega spannend und auch erfüllend. Man hat ja auch viel Kritik und Gegenwind und davon träumst du doch. Und das ist dann genau der Ansatz, wo man sagt Ja, davon träumen wir. Und so kann man tatsächlich was verändern.

Berichterstatterin (24:05):
Es sind viele junge Männer und Frauen, die auf der Baustelle bis tief in der Nacht arbeiten, trotz Wind und Wetter. Sie motiviert, dass sie hier etwas fürs Klima machen können.

Simon Lee (24:19):
Der Rohbau soll hier stehen in vier Wochen. Normalerweise macht man keine Stroh-Baustelle im November. Das ist am Rande des Wahnsinns fast. Aber die Profis haben sich da viele Gedanken gemacht, ob das geht, wie das ginge und wir probieren das jetzt. Ist ein bisschen Risiko dabei, aber das war uns lieber, als das jetzt alles auf den Frühling zu vertagen. Und im Frühling ist ja auch nicht garantiert, dass kein Regen fällt. Der worst case wäre, dass das alles, auch was schon eingebaut ist, wieder raus muss, weil es dann anfängt zu schimmeln.

Berichterstatterin (24:55):
Der Endspurt. Schritt für Schritt geht es voran. Während das Haus ein neues Dach bekommt, werden im Untergeschoss die ersten Toiletten eingebaut. Alle Sanitärelemente wurden zuvor in einem Abrisshaus ausgebaut. Simeon Bärhold arbeitet schon seit Jahren als Bauhelfer.

Simeon Bärhold (25:36):
Es hat mich doch schon oft aufgeregt, wie einfach damit rumgegangen wurde, dass man immer alles neu kauft. Und eigentlich sehen die ja auch noch sehr gut aus. Also, ich habe die teilweise mit eingebaut und ja, kann man auf jeden Fall noch mal benutzen.
Ich bin länger hier als ich dachte und ich glaube auch, dass es deswegen ist, weil man Teil einer neuen Bewegung ist, die früher oder später gegangen werden muss und lieber früher als später und deswegen fühle ich mich hier eigentlich wohl.

Berichterstatterin (26:08):
Aber lohnt sich der Bau mit gebrauchten Materialien? Juliette konnte in dem alten Hotel neben den Briefkästen auch Heizkörper, Türen und Waschbecken ausbauen. Jetzt vergleicht sie den zusätzlichen Aufwand und die CO-Einsparung miteinander.

Juliette Pignol (26:30):
Die Heizkörper sind relativ schwer. Das ist jetzt auch wahrscheinlich viel CO eingespart bei der Herstellung. Also ich glaube, es lohnt sich jetzt super viel. Es ist alles Material, was eigentlich viel CO produziert.

Berichterstatterin (26:45):
Juliette macht die finale Dokumentation. Für jedes Bauteil berechnet sie den CO-Aufwand. Dann werden die Kosten bei Neukauf den Lohn- und Lagerkosten beim Recycling gegenübergestellt. Und tatsächlich: je mehr gleiche Teile wiederverwendet werden, umso mehr Kosten können gespart werden und das Klima wird geschont.

Juliette Pignol (27:09):
Gleichzeitig können wir auch super interessante Conclusions machen und später bessere Entscheidungen treffen. Wo lohnt sich das? Denn vielleicht für das nächste Projekt werden wir dann doch kein Fassade wiederverwenden, für 30 Prozent CO eingespart und zweimal teurer. Werden wir dann vielleicht uns auf Fenster fokussieren, wo wir jetzt wissen, dass es mega viel CO-Einsparung für Kosten, die auch richtig günstiger werden, wenn man das mehrere Male macht.

Berichterstatterin (27:40):
Davon profitieren auch die Mieter, die wahrscheinlich 2022 einziehen und trotz ökologischer Bauweise billig wohnen können. Die 17 Wohnungen im Obergeschoss sind fast fertig. Der Quadratmeterpreis liegt bei rund zehn Euro und damit unter dem ortsüblichen Niveau. Alice und Laurence kommen noch einmal, um zu sehen, was aus ihren Plänen geworden ist.

Laurence Pagni (übersetzt) (28:04):
Ich hätte nicht gedacht, dass das so hoch ist. Also so wie, einfach viel höher, als ich mir das vorstellen konnte.

Alice Gedamu (28:13):
Ja, sicher.

Laurence Pagni (28:19):
Wow.

Alice Gedamu (28:25):
Schau mal hier, die Treppe. Das wird so Spaß machen, da lang zu laufen.

Laurence Pagni (übersetzt) (28:34)
Super high. Das ist so schön. Das ist unglaublich.
Auch wie viel es braucht, eine Vision und eine Idee umzusetzen.

Alice Gedamu (28:58):
Wir haben irgendwie den Staffelstab in wirklich gute Hände übergeben. Und ich glaube, das erfüllt mich zurzeit echt mit einer sehr tiefen Freude und Ruhe. Und gleichzeitig zu wissen, dass wir da nicht in der Form daran beteiligt sind, wie wir das gedacht haben, macht mich auch ein bisschen traurig. Und ich glaube, das ist auch okay.

Berichterstatterin (29:21)
Für Alice bleibt der Stolz, mit einer innovativen Idee den Grundstein für etwas Neues gelegt zu haben. Bis zum Schluss arbeiten Simon und sein Team. Es ist Anfang Dezember. Das Richtfest kann stattfinden, wenn auch Corona bedingt, nur im kleinen Kreis.

Simon Lee (29:43):
Ich finde, wir haben unser Ziel erreicht und ich kenne wenig, wenn überhaupt vergleichbare Projekte, die in das Risiko gehen, diesen Inhalt auch erreichen zu wollen. Das machen wir wenigstens ganz klein inoffiziell für die Mitarbeiter auf der Baustelle. Ganz spontanes Happening. Einer der Baustelle hat gekocht, netterweise. Ich hoffe, ein paar Leute bringen was zu trinken mit. Dann machen wir einen kleinen Abschluss.

Mitwirkender (30:06):
Also wir waren beschäftigt mit dem Kochen. Wir wissen nicht, wo wir essen.

Simon Lee (30:12):
Und das auch? Ja. Also die nehmen wir mit.
Wow, danke dir. Dann bis gleich. Mal schauen.

Juliette Pignol (30:45):
Ich bin doch nicht dumm.

Berichterstatterin (30:52):
Auf der Baustelle hat sich während vieler Strapazen eine Gruppe gefunden, die zu einem echten Team geworden ist.

Simon Lee (31:00):
Also danke an alle, dass ihr mitgebaut habt. Ich sitze ja immer am Rechner und sage dann, ich baue ein Haus, aber eigentlich baue ich kein Haus. Ich sitze nur am Rechner, die das bauen, das seid ihr und Prost und Danke schön.
Prost! Prost!

Handwerker (31:13):
Ich bin beeindruckt. Ich habe ja auch schon einige Sachen erlebt und…

Simon Lee (31:20):
Bei mir persönlich überwiegt die Realisierung von Erleichterung. Also ich muss ja auch gar nicht groß feiern. Ich kann einfach jetzt ins Bett und schlafen.

Christian Schöningh (31:41)
Wenn man lange genug alles anders gemacht hat, stellt man am Ende fest, dass man es richtig gemacht hat. Und das ist sozusagen eine konstruktive Kritik an dem, was auf dieser Welt falsch läuft.

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Ressourcen zu Architektur

Simulationstool
Thesim. Berechnung der operativen Temperatur eines Raumes im Sommer

Simulation

Viele Planungsentscheidungen, die im Entwurfsstadium getroffen werden, haben einen wesentlichen Einfluss auf das thermische Verhalten des Gebäudes im Sommer. Sie können nachträglich nur mit erhöhtem Aufwand und Zusatzkosten geändert werden. Dieses Simulationstool bietet eine Hilfestellung für den Planungsprozess.

Abbildung: Simulationstool: Thesim. Berechnung der operativen Temperatur eines Raumes im Sommer.
Broschüre
Lowtech im Gebäudebereich

Forschung für die Praxis

Häufig wird sommerliche Hitze im Gebäude mit Hightech (Spitzentechnologie, z.B. Klimaanlagen) begegnet. Die ist allerdings fehleranfällig. Zunehmend gibt es daher einen Diskurs über den angemessenen Technikeinsatz und alternative Lösungen zur Realisierung zukunftsfähiger Gebäude.

Abbildung: Vorderseite der Broschüre „Zukunft Bauen – Lowtech im Gebäudebereich“.
Materialdatenbank
UMAR - Urban Mining and Recycling Unit

Innovative Produkte und ihre Eigenschaften

Aufbereitung und Wiederverwendung bereits benutzter Rohstoffe (Recycling) und ansprechende architektonische Gestaltung schließen sich nicht aus. Alle gezeigten Materialien sind vollständig wiederverwendbar, recycelbar oder kompostierbar.

Abbildung: Materialdatenbank: UMAR - Urban Mining and Recycling Unit mit verschiedenen abgebildeten recycelten Rohstoffen.
Plattform

WIN – Wissen, Informationen, Netzwerke

Die WIN-Förderdatenbank unterstützt Projektinitiativen und Projektträger bei der Finanzierungsplanung.
Der WIN-Wissenspool bietet Lernangebote und Informationen rund um das Gemeinschaftliche Wohnen und neue Wohnformen.

Abbildung: Logo des Programms WIN – Wissen, Informationen, Netzwerke für Gemeinschaftliches Wohnen.
Die Illustration zeigt eine Person mit weißem T-Shirt und blauer Kappe, die eine Lehmwand verputzt. In der linken Bildhälfte erkennt man blauen Himmel und das obere Ende eines Krans durch den offenen Dachstuhl.

Wärmeresiliente Baustoffe

Paradigmenwechsel in der Baustoffwahl. Der Schutz gegen sommerliche Hitze spielt eine immer größere Rolle

Ökologische Baustoffe erfüllen dabei gleich zwei wichtige klimarelevante Kriterien: sie schützen besser gegen sommerliche Hitze als konventionelle Baustoffe. Als nachwachsende Rohstoffe sind sie zudem ressourcenschonend.

Auch in der Energiebilanz: von der lokalen Erzeugung über die Verarbeitung bis zur Entsorgung bedarf es sehr einfacher Verfahrenstechnik zur Herstellung. Naturbaustoffe bringen viele vorteilhafte Eigenschaften mit und müssen nicht energieaufwendig modifiziert werden. Das reduziert den Energiebedarf bei der Produktion und damit die Emissionen von Treibhausgasen wie CO₂.

Sie sind sowohl im Neubau (Beispiel: Hitzacker Dorf, Hitzacker), als auch bei der Renovierung des Bestands (Beispiel: vitopia, Magdeburg) anwendbar.

Vorteilhafte Eigenschaften ökologischer Baustoffe gegen sommerliche Hitze

Die Reduktion der Einstrahlungsenergie ist in erster Linie für Dachkonstruktionen oder auch an Außenwandbauteilen erforderlich.

Die einstrahlende Wärmeenergie wird im Baustoff gespeichert bzw. gepuffert und gelangt nicht oder verspätet in den Wohnraum.

Typischerweise erfüllen Dämmstoffe einen guten Wärmeschutz im Winter. Entscheidend für die Wärmespeicherfähigkeit eines Baustoffes ist der physikalische Kennwert der Wärmeleitfähgkeit eines Dämmstoffes. Für einen guten Wärmeschutz vor Strahlungswärme, die durch Sonnenlicht auf das Gebäude einwirkt, ist ein hoher Kennwert der spezifischen Wärmekapazität erforderlich. Dieser ergibt dann in Verbindung mit der Masse des Baustoffs die Wärmespeicherfähigkeit als maßgebliche Eigenschaft und Größenordnung.

vitopia –
eine gelebte Utopie

vitopia, Magdeburg

Als Gegenentwurf zu kommerzialisierten Wohnobjekten bietet das genossenschaftliche, solidarische Wohnprojekt am Magdeburger Stadtrand eine grüne Oase für etwa 17 Personen. Größtenteils im Selbstbau wurde hier ein altes Gartenhaus mit Scheune und Betriebsgebäude zu Wohnungen, einem Café und einer Herberge um- und ausgebaut.

vitopia –
eine gelebte Utopie

© Vitopia eG
Abbildung: Luftaufnahme des Wohnprojekts der vitopia eG. Zwei Gebäudekomplexe stehen inmitten von Grünflächen, vielen Bäumen und in Ufernähe zu einem Fluss.
vitopia, Magdeburg

Mit Natur gedämmt

Bei der Renovierung kamen, bis auf wenige Ausnahmen, nur ökologische Materialien zum Einsatz. So wurde mit Naturfasern gedämmt: Für den Innenausbau wurden Schilfrohrmatten verwendet und anschließend mit Lehm verputzt. In der Decke wurden zwei Lagen Holzfaserdämmplatten verbaut, deren Vorteil darin besteht, ebenso gut wie Styroporplatten gegen Kälte zu dämmen, jedoch besser gegen Hitze zu isolieren.

© Vitopia eG
Abbildung: Luftaufnahme des Projekts der Vitopia eG, in der die Fassade, bestehend aus ökologischen Materialien, gut zu erkennen ist. Auf dem Flachdach befinden sich viele Solarpaneele. Der Innenhof vor dem Gebäude ist umgeben von großen Bäumen. Auch im Hintergrund befindet sich eine Grünfläche mit vielen großen Bäumen.
vitopia, Magdeburg

Interview mit Finn Böckling

Der Bewohner berichtet vom Entstehungsprozess vitopias. Über Selbstbau, Aneignung von Bautechniken und Wohnbehaglichkeit von ökologischen Baustoffen.

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Finn Böckling
Abbildung: Portrait von Finn Böckling mit kleinem Kind auf dem Arm

Transkription des Interviews mit Finn Böckling, Bewohner im vitopia im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Die Genossenschaft vitopia eG ist mehr als ein gemeinschaftliches Wohnprojekt für 16 Personen. vitopia ist ein Ort für Kultur, ein Café und eine Herberge in einem denkmalgeschützten Gebäudeensemble. Die Gemeinschaft steht für soziales, ökologisches, nachhaltiges und verantwortungsvolles Miteinander, was sich auch im Um- und Anbau der Gebäude gezeigt hat. Von 2009 bis 2020 hat die Gruppe nach und nach in konsequent ökologischer Bauweise und Selbstbau den Ort gestaltet.

Finn Böckling, wie habt ihr euch das Wissen über die ökologischen Baustoffe und deren Verbau angeeignet?

Finn Böckling (FB): Also es gab eine Menge Eigenrecherche, aber wir haben auch mit Handwerkern und Handwerkerinnen und Architekturbüros zusammengearbeitet, die auch auf den Verbau von ökologischen Baustoffen spezialisiert sind. Und das war auch eine sehr große Unterstützung.

MK: Und wie habt ihr die Baustelle organisiert? Mit so vielen Personen ist das wahrscheinlich eine Herausforderung, sich zu organisieren und das Wissen weiterzugeben. Wie ist das vonstatten gegangen?

FB: Das Wohnprojekt ist eigentlich erst so groß, seitdem das Hauptwohnhaus fertiggestellt wurde. Davor war die Kerngruppe noch deutlich kleiner und bestand aus drei Familien. Die Baustelle war hauptsächlich in Eigenregie organisiert, das heißt, es gab Arbeitswochenende, Sommerbaustellen und je nach Bedarf Einsätze. Als Haus 1 und Haus 2 gebaut wurden, wurde auch noch viel in der kleinen Gruppe gebaut und später gab es dann auch noch Personen, die im Rahmen ihres Bundesfreiwilligendienstes geholfen haben. Dann gab es auch noch verschiedene Kontakte zur Arbeiterwohlfahrtsorganisation (AWO), die auch noch verschiedene Sozialprojekte gemacht haben. Da gab es z.B. ein Workshop-Angebot, wie man mit diesen Baustoffen baut, wodurch wir auch unsere Baustelle vorantreiben konnten.

MK: Eine Frage zur Energieversorgung, weil die doch besonders bei euch ist. Wie funktioniert sie?

FB: Also wir haben einen ganz normalen Gasanschluss für die Heizung mit einem Blockheizkraftwerk. Wir versuchen jetzt aber, Stück für Stück, auf eine Wärmepumpe umzusteigen. Was die Stromversorgung angeht, haben wir unsere Dachfläche an eine Energiegenossenschaft vermietet, die dort eine Solaranlage aufgebaut hat. Der Vorstand dieser Energiegenossenschaft hat zufällig zu dem Zeitpunkt der Installation auch bei uns gewohnt, wodurch das ganz reibungslos funktioniert hat. Und diese Solaranlage, also Photovoltaik, deckt auch einen Großteil unseres Stromverbrauches.

MK: Und abschließend würde ich auch noch gerne fragen, welchen Rat würdet ihr einer Gruppe geben, die vorhat, in Selbstbau und ökologisch zu renovieren und zu bauen?

FB: Also was wichtig ist, ist, dass man die Ressourcen und die Zeit aufbringen kann, um sich so einem Projekt zu stellen. Als ich die Frage auch nochmal in der Gruppe weitergegeben habe, habe ich häufiger gehört, dass man da nicht allzu große Zweifel haben sollte, ob das dann auch wirklich klappt. Und dass man sich auch an diese Materialien rantrauen sollte, weil sie auch einfach in der Verarbeitung den Vorbehalten häufig trotzen. Also sie sind gut zu verarbeiten, sie sind langlebig, sie sind auch preislich, konkurrenzfähig zu herkömmlichen Baustoffen und bieten auch enorme Vorteile. Also wir haben im Haus eigentlich keine großen Probleme mit zu großer Hitze oder Kälte im Sommer beziehungsweise Winter und das ist einfach auch ein sehr angenehmes Raumklima, das durch die natürlichen Stoffe erschaffen wird. Ökologische Baumaterialien schaffen einen sehr hohen Wohnkomfort meiner Meinung nach, den ich Leuten, die das erwägen, empfehlen würde.

MK: Das heißt: einfach machen und sich trauen und professionellen Rat zu suchen für den Anfang?

FB: Ja, aber auch genügend informieren und auch wissen, welche Konsequenzen das haben könnte. Genau das ist auf jeden Fall wichtig, aber das ist es denke ich, auch bei jedem Bauvorhaben.

MK: Dann danke ich dir für dein Wissen und deine Zeit.

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Ein menschen- und umweltfreundliches Lebensmodell aus Holz, Lehm und Stroh

Hitzacker Dorf, Hitzacker

Das genossenschaftlich organisierte Wohnprojekt entwickelte neue Formen des interkulturellen und generationsübergreifenden gemeinsamen Wohnens, Arbeitens und Lebens auf dem Land für etwa 300 Menschen. Dem Ansatz des Postwachstums folgend, wurden die Häuser in modularer, ökologischer Bauweise errichtet.

Ein menschen- und umweltfreundliches Lebensmodell aus Holz, Lehm und Stroh

© Frank Gutzeit
Abbildung: In der Bildmitte verläuft vertikal ein breiter unbefestigter Weg. Links und rechts davon befinden sich mit etwas Abstand zweigeschossige Häuser der Hitzacker Dorf eG, die im Holzfachwerkbau errichtet wurden.
Hitzacker Dorf, Hitzacker

Kompakt und günstig

Die Mehrparteienhäuser sind als Holzfachwerkbau gebaut. Im wirtschaftlichen Raster von 4,75 Meter sind Wohnungstypen von 30 bis 150 Quadratmeter aneinander gereiht. Die kompakte Bauweise mit wenig Außenfläche senkt die Baukosten und den Energieverbrauch, der über ein genossenschaftseigenes Nahwärmenetz gedeckt wird. Große Glasflächen zur Sonne generieren im Winter Wärmegewinne; gleichzeitig begrenzen vorgestellte Laubengänge den Wärmeeintrag bei hoch stehender Sonne.

© Frank Gutzeit
Abbildung: Im Vordergrund sind natürlich angelegte Vorgärten zu sehen. Das Mehrparteienhaus im Hintergrund besteht aus zwei Geschossen, wovon das untere eine helle Fassade und das obere eine Holzfassade hat. Vor dem Haus verlaufen auf beiden Etagen Laubengänge.
Hitzacker Dorf, Hitzacker

Interview mit Frank Gutzeit

Der Architekt von Hitzacker Dorf eG über das Bauen mit ökologischen Baustoffen: Vorteile im Bezug auf den sommerlichen Wärmeschutz, Herausforderungen und Tipps für Nachahmende.

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Frank Gutzeit
Abbildung: Portrait von Frank Gutzeit, dem Architekten der Hitzacker Dorf eG

Transkription des Interviews mit Frank Gutzeit, Architekt des Hitzacker Dorf im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Maren Kaiser (MK): Das interkulturelle Generationendorf Hitzacker hat sich durch und durch der Ökologie verschrieben. Es verbindet Baubiologie und Ressourcen schonendes Bauen und Wohnen mit einem nachhaltigen Lebensstil, der sich an den Regeln des Postwachstums und einem suffizienten Konsumverhalten orientiert. Die konsequent ökologische Bauweise ist beeindruckend; 

Frank Gutzeit, wie verhält es sich mit dem sommerlichen Wärmeschutz in Bezug auf verwendete Baustoffe im Projekt und gibt es Vorteile, neben der Ressourcenschonung, gegenüber konventionellen Baustoffen?

Frank Gutzeit (FG): Ja, vielen Dank für die Anfrage. Wir haben tatsächlich hauptsächlich ökologische Baustoffe verwendet im Projekt Hitzacker Dorf. Die Aufgabenstellung bestand ja darin, den ökologischen Fußabdruck möglichst gering zu halten. Im Bezug auf den sommerlichen Wärmeschutz haben wir die Besonderheit, dass wir durch große Glasflächen einen hohen Sonnenertrag in der Übergangszeit und im Winter haben, was aber natürlich zu erheblichen Wärmeeinträgen im Sommer führt. Insofern war es uns sehr wichtig, die Baustoffauswahl so zu treffen, dass wir dem entgegenwirken. Also natürlich sind auch weitere Sonnenschutzmaßnahmen erforderlich, wie Beschattung, Folien und Vorhänge. Aber bei den Baustoffen geht es dann im Wesentlichen um die Speicherfähigkeit im direkten Tageszusammenhang, also nicht zu sehr über die Monate oder Jahre gesehen, sondern wirklich den Tagesverlauf. Das heißt, dass sich Wärme, die sich den Tag über ergibt, „weggespeichert“ wird, indem sie von den Baustoffen aufgenommen wird. Und hier kann man als herausragend Lehm anführen. Er ist gegenüber konventionellen Baustoffen mit vergleichbarer baulicher Dichte – die Dichte ist ja immer das entscheidende Kriterium bei der Wärmespeicherung. Aber wenn ich das beispielsweise mit Beton vergleiche, kann der Lehm sehr viel schneller die Wärme speichern und er hat auch ein sehr viel höheres Feuchte-Speichervermögen. Das führt gleichzeitig auch dazu, dass die Hitze nicht so stark durchschlägt. Als zweiten Baustoff kann man das Holz nennen, das wird häufig vernachlässigt, aber auch Holz kann bis in eine Tiefe von 4-5 Zentimetern sehr gut Wärme wegspeichern. Und auch hier ist eine deutliche Überlegenheit gegenüber konventionellen Baustoffen erkennbar. Also wenn wir über Vinylplatten sprechen, die heutzutage ja gern genommen werden und eigentlich nichts anderes als PVC sind, heizen sie sich extrem auf. Das kann jeder ganz einfach selbst testen: wenn ich barfuß über den Holzfußboden gehe, der der Sonne ausgesetzt ist, dann ist der Holzfußboden sehr viel kühler als ein PVC-Fußbodenbelag, der der Sonne ausgesetzt ist. Eine weitere Besonderheit in Hitzacker Dorf sind die sogenannten Strohbauplatten. Stroh als Baustoff hat ja eine sehr lange Tradition, war aber in den letzten 100 Jahre eher unbedeutend und erobert sich gerade wieder einen Platz. Wir haben sehr stark gepresste Strohbauplatten verwendet, bei denen davon ausgehen, dass die ein sehr gutes Wärmespeichervermögen haben. Diese sind aber sehr neu am Markt und daher gibt es noch nicht viele Erfahrungswerte und wir sind sehr gespannt, wie sich das Ganze entwickelt im Laufe der nächsten Jahre.

MK: Das heißt, Sie eruieren dann die Erfahrungswerte der Bewohnerinnen und Bewohner?

FG: Ja, wir sind ständig im Austausch und Kontakt. Wir kriegen auch Rückmeldungen aus Projekten die zum Teil nicht so gut sind, das heißt, es ist deutlich spürbar, dass, wenn man große Glasflächen einbaut, was ja eigentlich sehr schön ist und auch sinnvoll, dass dann tatsächlich viele Maßnahmen erforderlich sind, um im Sommer erträgliche Temperaturen im Inneren zu halten. Technische Kühlung ist ja häufig dann die Antwort und es werden Klimaanlagen eingebaut. Wir versuchen aber eher mit Verschattung der Glasflächen zu arbeiten, um ohne technische Einrichtungen auszukommen.

MK: Und nochmal zurück zu den Baustoffen. Was würden Sie denn sagen, welche Herausforderungen bringt das Bauen mit ökologischen Baustoffen mit sich?

FG: Also wir stellen fest, dass das ökologische Bauen schon eine eigene Sparte ist. Wenn man ökologisch bauen möchte ist es sehr wichtig, frühzeitig auch die entsprechenden Firmen zu finden, die sich mit den Baustoffen auskennen. Wir merken deutlich, dass im konventionellen Baubereich wenig Bereitschaft besteht, sich auf Neues einzulassen. Und zwar gar nicht so sehr auf der Leitungsebene, sondern wirklich bei den Ausführenden, den Handwerkern, die das Material nachher verarbeiten, die einfach auf das Gewohnte zurückgreifen wollen. Wir haben erheblichen Aufwand damit, den Gesellen, den Handwerkern auf der Baustelle zu vermitteln, dass das  ein tolles Material ist. Also ich nenne mal ein Beispiel, die Weichfaserplatten, die wir zum Beispiel bei einer Außenwanddämmung statt der konventionellen Styropor- oder Mineralfaserdämmung verwenden. Da geht es eben darum, dass neue Maschinen angeschafft werden müssen, die Arbeit mit den Maschinen muss erlernt werden und das heißt dann zu Anfang immer: das kennen wir nicht, das können wir nicht. Und wenn man das ganze aber gut begleitet, dann führt das zumindest bei vielen dazu, dass sie nach einem solchen Projekt dann auch stolz sind, dass sie eben auch mal in der ökologischen Bauweise unterwegs waren. Das trifft sich für alle zu, aber doch für sehr viele. Aber es ist ein zusätzlicher Aufwand, auch im planerischen Bereich. Und es gibt noch eine vorteilhafte Entwicklung: vor etwa 5 bis 10 Jahren hatten wir noch eine deutliche Preisdifferenz zwischen ökologischen und konventionellen Baustoffen. Wir haben durch die Krisen der letzten Jahre eine erhebliche Preissteigerung im konventionellen Bereich erlebt, aber bei den nachwachsenden Baustoffen nicht so sehr, sodass sich diese Preisdifferenz deutlich verringert hat. Ich kann wirklich guten Gewissens sagen, dass ökologisches Bauen nicht mehr sehr viel teurer ist als das konventionelle Bauen.

MK: Haben Sie denn einen Ratschlag, den Sie gerne Projekten in der Startphase mitgeben wollen, die mit ökologischen Baustoffen bauen möchten?

FG: Ja, ich würde jedem empfehlen, bevor er/sie ein Haus baut, das Raumklima in einem konventionellen Haus zu vergleichen mit dem Raumklima in einem ökologischen Haus. Also wir sind zum Beispiel in Hitzacker Dorf auch bereit, da Besucher zu empfangen, um einfach mal gerade auch an einem heißen Sommertag den Unterschied zu spüren, wenn ich eben offenporige, atmungsaktive Materialien um mich herum habe, im Gegensatz zu diesem abgekapselten Kunststoffmaterialien. Dann muss jeder selbst entscheiden. Aber das sollte man auf jeden Fall nicht versäumen, bevor man das viele Geld ausgibt, was dann ja auch für lange Zeit gebunden ist. Es ist in der Regel so, dass man am Anfang eines Projektes eher mehr Zeit hat und da ist meine Empfehlung, sich genau diesen Themen wirklich zu widmen, weil es im späteren Projektverlauf zum einen manchmal einfach zu spät ist, um noch technische Weichen zu stellen, zum anderen aber auch die Fülle an Entscheidungen, die getroffen werden müssen, so groß ist, dass man leicht Dinge aus den Augen verliert. Am Anfang die richtigen Weichen zu stellen ist ein absolutes Muss beim Bauen.

MK: Vielen Dank Frank Gutzeit für ihr Wissen.

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Ressourcen: Baustoffe

Video
Sommerlicher Wärmeschutz

Dämmstoffe im Vergleich

Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen wie Zellulose und Holzfasern haben eine bessere spezifische Wärmekapazität. Sie speichern die eingetragene Wärme, der Raum bleibt kühler. Dirk Niehaus (bauraum MV, Entwickler der Ausstellung FAKTOR WOHNEN) erklärt die Vorteile gegenüber vergleichbaren mineralischen Dämmstoffen.

Dirk Niehaus, bauraum MV, Entwickler der Ausstellung (00:04)
Ja, bei diesem Modell haben wir jetzt wieder vier Dämmstoffe im Vergleich: Mineralwolle mit der Glaswolle, die Polystyrol-Dämmung, also Styropor-Dämmung, dazu die Holz-Weichfaser-Dämmplatte und die Zellulose-Dämmung. Und bei diesem Modell simulieren die darüberliegenden Wärme Lampen diesmal quasi die Sonnenstrahlung, die Wärmestrahlung der Sonne. Und wir sehen sehr schnell, dass diese eingeschalteten Lampen dann auf die Dämmstoffe einwirken und die darunterliegenden Temperaturfühler, das wäre ja quasi dann in unserem Wohnbereich, also im Innenbereich, dann eben die Temperatur anzeigen und gerade bei der Holzweichfaser-Dämmplattung, bei der Zellulose-Dämmung nur sehr langsam ein Temperaturanstieg ist, hingegen gerade bei der Mineralwolle und auch bei dem Polystyrol ein sehr, sehr schneller und hoher Temperaturanstieg zu sehen ist. Wie kommt das? Zum einen ist die Wärmekapazität eine physikalische Messgröße. Also das heißt eigentlich, wie viel Wärme kann ein Baustoff aufnehmen und erst mal speichern und auch lange speichern? Und zum anderen ist bei der Mineralwolle gegenüber der Zellulose-Dämmung die Zellulose-Dämmung etwas höher in der Dichte bei gleicher Wärmeleitfähigkeit und auch bei der Holzweichfaser-Dämmplatte, die ist eben die Dichte, das heißt also das Gewicht pro Kubikmeter oder Quadratmeter eben etwas höher. Und dadurch kann eben auch automatisch etwas mehr Wärme gespeichert werden. Ein Ziegelstein zum Beispiel speichert durch sein hohes Gewicht eben auch relativ viel Wärme, hat eine hohe Wärmespeicherfähigkeit, aber durch seine Struktur hat er eine hohe Wärmeleitfähigkeit und ist dementsprechend auch kein Dämmstoff. Und ein idealer Dämmstoff kann eben beides. Und insofern ist es wichtig, dass die Wärmeleitfähigkeit sehr gut ist, aber auch die Wärmespeicherfähigkeit sehr hoch ist. Und das kann man an diesem Modell eigentlich sehr, sehr schön sehen.

Broschüre
Marktübersicht. Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen

Übersicht: Dämmstoffe

Gesundheitlich unbedenklich, wiederverwendbar und gute Dämmeigenschaften – die Broschüre zeigt Daten, Fakten und Auswahlkriterien nachwachsender Dämmstoffe auf einen Blick.

Abbildung: vorderseite der Broschüre Marktübersicht. Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen
Plattform
WIN – Wissen, Informationen, Netzwerke

Informationsplattform für Gemeinschaftliches Wohnen

Die WIN-Förderdatenbank unterstützt Projektinitiativen und Projektträger bei der Finanzierungsplanung.

Der WIN-Wissenspool bietet Lernangebote und Informationen rund um das Gemeinschaftliche Wohnen und neue Wohnformen.

Abbildung: Logo des Programms WIN – Wissen, Informationen, Netzwerke für Gemeinschaftliches Wohnen.
Abbildung: Die Illustration ist diagonal in einen sonnigen und einen schattigen Bereich geteilt. Der schattige Bereich wird durch ein höheres Gebäude erzeugt, das in der rechten oberen Bildecke steht. Im Schatten vor dem Gebäude steht ein Baum, in dessen Schatten eine Person auf einer Decke liegt und in die Ferne guckt. Folgt man ihrem Blick, sieht man am Ende einer großen sonnigen Freifläche eine Häusersilhouette mit einigen Bäumen. Es entsteht der Eindruck einer großen Hitze außerhalb des Schattens.

Gesundheitstipps für die Hitze

Hitzewellen sind ein Gesundheitsrisiko. Alltagstipps für verschiedene Personengruppen in verschiedenen Lebenswelten sind hier zu finden.

Abbildung: Logo der Plattform Klima. Mensch. Gesundheit. Zur Website
Abbildung: Es sieht nach einem warmen Sommertag aus. Vorn im Bild ist ein älterer Mann mit weißen Haaren und einem braunkarierten langärmeligen Hemd zu sehen. Er steht an der Balkonbrüstung seiner Erdgeschosswohnung und unterhält sich mit einem Mann mit Sonnenbrille und blauem Kurzarmshirt, der ein kleines Kind auf dem Arm trägt. Der Gehweg verläuft im hinteren Teil unter einer üppig begrünten Pergola, in deren Schatten ein rotes Fahrrad parkt. Rechts und links des Weges befinden sich grüne Rasenflächen. Am oberen Bildrand endet das Grundstück. Hinter einem Holzzaun mit blühenden Büschen stehen drei Mehrparteienhäuser sowie ein großer grüner Laubbaum.

Das FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

Unsere Aufgaben: Förderung von Vielfalt im Wohnen und Zusammenhalt im Leben

Das FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V., Bundesvereinigung, agiert bundesweit. Mit 25 Regionalstellen in fast allen Bundesländern und der Bundesgeschäftsstelle in Hannover verfügen wir über ein breites Netzwerk rund um das Gemeinschaftliche Wohnen und neue Wohn-Pflege-Formen. Wir koordinieren und moderieren Projekte und bündeln Wissen und Erfahrungen für Menschen im demografischen Wandel. Bei uns organisieren sich Hunderte von Akteuren, die das gesamte Spektrum der neuen Wohnformen abbilden. Dieses Wissen prägt unsere Workshops und Fachtagungen. Parallel unterstützen unsere Regionalstellen alle, die Impulse für eine zukunftsfähige Gesellschaft geben.

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