vitopia –
eine gelebte Utopie
vitopia, Magdeburg
Als Gegenentwurf zu kommerzialisierten Wohnobjekten bietet das genossenschaftliche, solidarische Wohnprojekt am Magdeburger Stadtrand eine grüne Oase für etwa 17 Personen. Größtenteils im Selbstbau wurde hier ein altes Gartenhaus mit Scheune und Betriebsgebäude zu Wohnungen, einem Café und einer Herberge um- und ausgebaut.
vitopia –
eine gelebte Utopie
Mit Natur gedämmt
Bei der Renovierung kamen, bis auf wenige Ausnahmen, nur ökologische Materialien zum Einsatz. So wurde mit Naturfasern gedämmt: Für den Innenausbau wurden Schilfrohrmatten verwendet und anschließend mit Lehm verputzt. In der Decke wurden zwei Lagen Holzfaserdämmplatten verbaut, deren Vorteil darin besteht, ebenso gut wie Styroporplatten gegen Kälte zu dämmen, jedoch besser gegen Hitze zu isolieren.
Interview mit Finn Böckling
Der Bewohner berichtet vom Entstehungsprozess vitopias. Über Selbstbau, Aneignung von Bautechniken und Wohnbehaglichkeit von ökologischen Baustoffen.
Transkription des Interviews mit Finn Böckling, Bewohner im vitopia im Gespräch mit Maren Kaiser, FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.
Maren Kaiser (MK): Die Genossenschaft vitopia eG ist mehr als ein gemeinschaftliches Wohnprojekt für 16 Personen. vitopia ist ein Ort für Kultur, ein Café und eine Herberge in einem denkmalgeschützten Gebäudeensemble. Die Gemeinschaft steht für soziales, ökologisches, nachhaltiges und verantwortungsvolles Miteinander, was sich auch im Um- und Anbau der Gebäude gezeigt hat. Von 2009 bis 2020 hat die Gruppe nach und nach in konsequent ökologischer Bauweise und Selbstbau den Ort gestaltet.
Finn Böckling, wie habt ihr euch das Wissen über die ökologischen Baustoffe und deren Verbau angeeignet?
Finn Böckling (FB): Also es gab eine Menge Eigenrecherche, aber wir haben auch mit Handwerkern und Handwerkerinnen und Architekturbüros zusammengearbeitet, die auch auf den Verbau von ökologischen Baustoffen spezialisiert sind. Und das war auch eine sehr große Unterstützung.
MK: Und wie habt ihr die Baustelle organisiert? Mit so vielen Personen ist das wahrscheinlich eine Herausforderung, sich zu organisieren und das Wissen weiterzugeben. Wie ist das vonstatten gegangen?
FB: Das Wohnprojekt ist eigentlich erst so groß, seitdem das Hauptwohnhaus fertiggestellt wurde. Davor war die Kerngruppe noch deutlich kleiner und bestand aus drei Familien. Die Baustelle war hauptsächlich in Eigenregie organisiert, das heißt, es gab Arbeitswochenende, Sommerbaustellen und je nach Bedarf Einsätze. Als Haus 1 und Haus 2 gebaut wurden, wurde auch noch viel in der kleinen Gruppe gebaut und später gab es dann auch noch Personen, die im Rahmen ihres Bundesfreiwilligendienstes geholfen haben. Dann gab es auch noch verschiedene Kontakte zur Arbeiterwohlfahrtsorganisation (AWO), die auch noch verschiedene Sozialprojekte gemacht haben. Da gab es z.B. ein Workshop-Angebot, wie man mit diesen Baustoffen baut, wodurch wir auch unsere Baustelle vorantreiben konnten.
MK: Eine Frage zur Energieversorgung, weil die doch besonders bei euch ist. Wie funktioniert sie?
FB: Also wir haben einen ganz normalen Gasanschluss für die Heizung mit einem Blockheizkraftwerk. Wir versuchen jetzt aber, Stück für Stück, auf eine Wärmepumpe umzusteigen. Was die Stromversorgung angeht, haben wir unsere Dachfläche an eine Energiegenossenschaft vermietet, die dort eine Solaranlage aufgebaut hat. Der Vorstand dieser Energiegenossenschaft hat zufällig zu dem Zeitpunkt der Installation auch bei uns gewohnt, wodurch das ganz reibungslos funktioniert hat. Und diese Solaranlage, also Photovoltaik, deckt auch einen Großteil unseres Stromverbrauches.
MK: Und abschließend würde ich auch noch gerne fragen, welchen Rat würdet ihr einer Gruppe geben, die vorhat, in Selbstbau und ökologisch zu renovieren und zu bauen?
FB: Also was wichtig ist, ist, dass man die Ressourcen und die Zeit aufbringen kann, um sich so einem Projekt zu stellen. Als ich die Frage auch nochmal in der Gruppe weitergegeben habe, habe ich häufiger gehört, dass man da nicht allzu große Zweifel haben sollte, ob das dann auch wirklich klappt. Und dass man sich auch an diese Materialien rantrauen sollte, weil sie auch einfach in der Verarbeitung den Vorbehalten häufig trotzen. Also sie sind gut zu verarbeiten, sie sind langlebig, sie sind auch preislich, konkurrenzfähig zu herkömmlichen Baustoffen und bieten auch enorme Vorteile. Also wir haben im Haus eigentlich keine großen Probleme mit zu großer Hitze oder Kälte im Sommer beziehungsweise Winter und das ist einfach auch ein sehr angenehmes Raumklima, das durch die natürlichen Stoffe erschaffen wird. Ökologische Baumaterialien schaffen einen sehr hohen Wohnkomfort meiner Meinung nach, den ich Leuten, die das erwägen, empfehlen würde.
MK: Das heißt: einfach machen und sich trauen und professionellen Rat zu suchen für den Anfang?
FB: Ja, aber auch genügend informieren und auch wissen, welche Konsequenzen das haben könnte. Genau das ist auf jeden Fall wichtig, aber das ist es denke ich, auch bei jedem Bauvorhaben.
MK: Dann danke ich dir für dein Wissen und deine Zeit.